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Auslieferung an die USA? Assange-Prozess geht weiter
Aus Tagesschau vom 07.09.2020.
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Auslieferungs-Prozess Assange wieder vor Gericht: die wichtigsten Fragen und Antworten

In London wird wieder verhandelt, ob Julian Assange in die USA ausgeliefert werden darf oder nicht. Die wichtigsten drei Fragen und Antworten zum Enthüllungsaktivisten.

Wer ist Julian Assange? Der Australier ist der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks. Einige nennen ihn auch den mächtigsten Enthüllungsaktivisten weltweit, denn kaum eine publizistische Plattform veröffentlichte im letzten Jahrzehnt so viele geheime Originaldokumente wie Wikileaks. Dazu gehören Details zu Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan, sowie der US-Geheimdiplomatie. Hinzu kommen E-Mails von Hillary Clinton, die sie 2016 im Wahlkampf wichtige Stimmen kosteten, aber auch fragwürdige Aktivitäten von Firmen wie der Privatbank Julius Bär.

All das macht den 48-Jährigen für die einen zu einem Helden, für die anderen zu einem Verräter. Angefangen hat Assange als Hacker, durch Wikileaks wurde er zum Publizisten. Seine Verteidiger und Wikipedia nennen ihn einen investigativen Journalisten, Assange selber sagte aber 2017 in einem Interview: «Wir kommen nicht, um den Journalismus zu retten, sondern um ihn zu zerstören.»

Warum sorgt Julian Assange für so viel Aufregung? Einerseits stehen sich bei diesem Fall der wohl mächtigste Staat, die USA, und der mächtigste Enthüllungsaktivist gegenüber. Doch es geht auch um Grundlegendes. Die Frage ist, ob Julian Assange Spionage oder Journalismus betrieben hat. Sein Fall vermisst die Pressefreiheit neu und zeigt auf, dass er nicht in die bisherigen Schubladen «Journalist» oder «Staatsverräter» passt. Assange ist ein Phänomen des digitalen Zeitalters und mit seinem Fall muss neu definiert werden, was zur Pressefreiheit gehört und was nicht.

Seine Anhänger und grosse Teile der Medienbranche sind überzeugt, seine Aktionen seien Teil der Pressefreiheit und damit legitim. Sie fürchten, dass eine mögliche Verurteilung in den USA einen Präzedenzfall schaffen würde und als nächstes Medienunternehmen wie die «New York Times» für Enthüllungen verurteilt werden könnten. Kurzum: Es wäre eine Einschränkung der Pressefreiheit.

Menschenrechtsorganisationen und Assanges Anwälte kritisieren zudem seine Haftbedingungen: Mit psychologischer Folter versuche man, ihn die Knie zu zwingen. Die US-Regierung baut ihre Argumentation darauf auf, dass Assange nicht wie ein Journalist agiert habe, weil er Informationen nicht eingeordnet und seine Quellen nicht geschützt habe. Durch die veröffentlichten Dokumente sei das Leben von Informanten, Dissidenten und anderen US-Verbündeten im Irak und in Afghanistan gefährdet worden.

Was wird in London verhandelt? Am zentralen Strafgerichtshof in London wird verhandelt, ob Assange in die USA ausgeliefert werden darf. Dort drohen ihm ein Verfahren wegen Verstössen gegen den «Espionage Act» und eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren. Das Gesetz aus dem Ersten Weltkrieg sollte verhindern, dass militärische Geheimnisse an den Gegner verraten werden. Doch in den vergangenen Jahren wurde es vor allem gegen Whistleblower wie Edward Snowden oder Chelsea Manning eingesetzt.

Assanges Anwälte fürchten, dass er in den USA keinen fairen Prozess erhalten wird. Deshalb argumentieren sie in London mit einer Ausnahmeregelung. Diese besagt, dass die Briten ein Auslieferungsverfahren stoppen können, wenn der Betroffene aufgrund seiner politischen Ansichten kein geordnetes Gerichtsverfahren erwarten kann.

Chronologie des Falles Julian Assange

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2006: Julian Assange gründet die Enthüllungsplattform Wikileaks. Auf der Webseite können Whistleblower brisante Dokumente veröffentlichen.

2010: Wikileaks macht weltweit Schlagzeilen mit der Publikation von Geheimdokumenten der US-Armee zu den Kriegen in Afghanistan und dem Irak. Auf einem Video ist zu sehen, wie amerikanische Soldaten aus einem Helikopter mehrere Zivilisten, darunter zwei Mitarbeiter von Reuters, töten. Experten sprechen von Kriegsverbrechen. Für die US-Regierung sind die Veröffentlichungen sehr schädlich.

2010: Schweden erlässt Haftbefehl gegen Julian Assange. Der Vorwurf: er soll in Schweden zwei Frauen sexuell genötigt haben. Assange erklärt, die Vorwürfe seien politisch motiviert. Die britischen Behörden nehmen ihn fest, lassen ihn danach aber mit der Auflage frei, dass er das Land nicht verlassen darf.

2011: Der britische High Court entscheidet, die Auslieferung nach Schweden sei rechtens. Assange fürchtet, dass Schweden ihn in die USA ausliefert. Er erhebt Einspruch.

2012: Assange flieht in die ecuadorianische Botschaft in London, nachdem sein Einspruch gegen die Auslieferung abgewiesen wird. Er beantragt politisches Asyl.

2017: Die schwedische Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen Assange ein. Weiterhin gilt ein britischer Haftbefehl gegen ihn, weil er 2012 in die Botschaft Ecuadors floh und damit gegen damalige Kautionsauflagen verstiess.

2019, April: Ecuador hat einen neuen Präsidenten, die neue Regierung entzieht Assange das politische Asyl. Die britische Polizei nimmt Assange in der ecuadorianischen Botschaft fest, auch wegen eines vorläufigen Antrages auf Auslieferung der USA.

2019, Juni: Die britischen Behörden erhalten von den USA einen offiziellen Auslieferungsantrag. Die USA werfen Assange Verstösse gegen den «Espionage Act» vor.

2020: Beginn der Anhörung in London über die Auslieferung in die USA. Erst nach einer Auslieferung könnte Assange in den USA der Prozess gemacht werden, ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft.

SRF 4 News, 7.9.2020, 12 Uhr

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