Wer ist Julian Assange? Der Australier ist der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks. Einige nennen ihn auch den mächtigsten Enthüllungsaktivisten weltweit, denn kaum eine publizistische Plattform veröffentlichte im letzten Jahrzehnt so viele geheime Originaldokumente wie Wikileaks. Dazu gehören Details zu Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan, sowie der US-Geheimdiplomatie. Hinzu kommen E-Mails von Hillary Clinton, die sie 2016 im Wahlkampf wichtige Stimmen kosteten, aber auch fragwürdige Aktivitäten von Firmen wie der Privatbank Julius Bär.
All das macht den 48-Jährigen für die einen zu einem Helden, für die anderen zu einem Verräter. Angefangen hat Assange als Hacker, durch Wikileaks wurde er zum Publizisten. Seine Verteidiger und Wikipedia nennen ihn einen investigativen Journalisten, Assange selber sagte aber 2017 in einem Interview: «Wir kommen nicht, um den Journalismus zu retten, sondern um ihn zu zerstören.»
Warum sorgt Julian Assange für so viel Aufregung? Einerseits stehen sich bei diesem Fall der wohl mächtigste Staat, die USA, und der mächtigste Enthüllungsaktivist gegenüber. Doch es geht auch um Grundlegendes. Die Frage ist, ob Julian Assange Spionage oder Journalismus betrieben hat. Sein Fall vermisst die Pressefreiheit neu und zeigt auf, dass er nicht in die bisherigen Schubladen «Journalist» oder «Staatsverräter» passt. Assange ist ein Phänomen des digitalen Zeitalters und mit seinem Fall muss neu definiert werden, was zur Pressefreiheit gehört und was nicht.
Seine Anhänger und grosse Teile der Medienbranche sind überzeugt, seine Aktionen seien Teil der Pressefreiheit und damit legitim. Sie fürchten, dass eine mögliche Verurteilung in den USA einen Präzedenzfall schaffen würde und als nächstes Medienunternehmen wie die «New York Times» für Enthüllungen verurteilt werden könnten. Kurzum: Es wäre eine Einschränkung der Pressefreiheit.
Menschenrechtsorganisationen und Assanges Anwälte kritisieren zudem seine Haftbedingungen: Mit psychologischer Folter versuche man, ihn die Knie zu zwingen. Die US-Regierung baut ihre Argumentation darauf auf, dass Assange nicht wie ein Journalist agiert habe, weil er Informationen nicht eingeordnet und seine Quellen nicht geschützt habe. Durch die veröffentlichten Dokumente sei das Leben von Informanten, Dissidenten und anderen US-Verbündeten im Irak und in Afghanistan gefährdet worden.
Was wird in London verhandelt? Am zentralen Strafgerichtshof in London wird verhandelt, ob Assange in die USA ausgeliefert werden darf. Dort drohen ihm ein Verfahren wegen Verstössen gegen den «Espionage Act» und eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren. Das Gesetz aus dem Ersten Weltkrieg sollte verhindern, dass militärische Geheimnisse an den Gegner verraten werden. Doch in den vergangenen Jahren wurde es vor allem gegen Whistleblower wie Edward Snowden oder Chelsea Manning eingesetzt.
Assanges Anwälte fürchten, dass er in den USA keinen fairen Prozess erhalten wird. Deshalb argumentieren sie in London mit einer Ausnahmeregelung. Diese besagt, dass die Briten ein Auslieferungsverfahren stoppen können, wenn der Betroffene aufgrund seiner politischen Ansichten kein geordnetes Gerichtsverfahren erwarten kann.