Was ist passiert? In der albanischen Hauptstadt Tirana forderten Tausende Demonstrierende am Montagabend den Rücktritt des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama. Dabei kam es zu Zusammenstössen mit der Polizei. Mindestens 13 Personen wurden verletzt.
Was sind die Hintergründe? Laut SRF-Osteuropakorrespondent Peter Balzli sind Ausschreitungen in dieser Heftigkeit aussergewöhnlich. Die Protestierenden fordern den Rücktritt Ramas und die Einsetzung einer Übergangsregierung bis zu den Parlamentswahlen nächstes Jahr. Dies, nachdem eine Woche zuvor der Oppositionspolitiker Ervin Salianji wegen Verleumdung verhaftet worden war. Die Mitte-rechts-Opposition spricht von einem «blinden Akt der Rache» von Rama. Weiter protestierten die Regierungsgegner gegen den Hausarrest des Oppositionsführers Sali Berisha und die grassierende Korruption.
Was ist dran an den Vorwürfen an die Regierung? Laut Peter Balzli sind die Anschuldigungen teils berechtigt. «Premierminister Edi Rama ist schon seit elf Jahren an der Macht. In dieser Zeit hat er sehr viel Macht angehäuft.» Er hält die absolute Mehrheit im Parlament. Auch sei der Rechtsstaat noch nicht auf EU-Niveau, so Balzli. «Seit Jahren gibt es von Seiten der EU die Forderung, die albanische Justiz müsse unabhängiger und transparenter werden und schärfer gegen Korruption vorgehen.» Doch auch als die heutige Opposition an der Macht war, sei die Situation nicht besser gewesen.
Wie stehen Albaniens Chancen auf einen EU-Beitritt? Seit zehn Jahren ist Albanien EU-Beitrittskandidat, seit zwei Jahren laufen die Verhandlungen. «Allerdings ist ein Beitritt noch in weiter Ferne», sagt Peter Balzli. «Einerseits, weil die EU derzeit nicht sehr willig ist, neue Mitglieder aufzunehmen. Sie hat im Moment andere Baustellen. Andererseits ist Albanien noch nicht so weit.» Um eine Mitgliedschaft möglich zu machen, wolle Albanien die organisierte Kriminalität und die Korruption bekämpfen. Dabei soll eine Justizreform helfen, die seit 2014 läuft. «Aber das ist noch ein sehr weiter Weg. Albanien gilt immer noch als eines der korruptesten Länder Europas.»
Wie hat sich Albanien in den letzten Jahren entwickelt? «Albanien ist in den letzten Jahren eine Art Geheimtipp für Reisende geworden. Die Wirtschaft hat sich sehr gut entwickelt, auch wenn das Land immer noch eines der ärmsten Europas ist.» Das Durchschnittseinkommen sei in den letzten zwei, drei Jahren von etwa 600 auf 900 Franken pro Monat angestiegen. «Das ist spektakulär. Allerdings sind in dieser Zeit auch die Preise stark gestiegen.» Auch habe der Tourismusboom zu einem Wildwuchs von Hotels und Ferienkomplexen geführt, oft zulasten der Umwelt. «Eine der Aufgaben der Regierung wird es sein, dieses wilde Wachstum in vernünftige Bahnen zu lenken.»