In Australien wird bis zum Ende des Jahres eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung durchgeführt, die den Ureinwohnern eine Stimme im Parlament geben soll, die «Voice to Parliament».
Ende Mai hatte das Abgeordnetenhaus das Referendum gutgeheissen. Am Montag hat nun der Senat mit grosser Mehrheit dafür gestimmt. Bei «Voice to Parliament» geht es darum, dass künftig ein Gremium indigener Einwohner und Einwohnerinnen des Kontinents die Regierung berät, wenn es um Fragen geht, welche die Ureinwohner (englisch Aboriginal People) betreffen. Die Volksabstimmung findet voraussichtlich im Oktober statt.
Im Referendum werde es darum gehen, die 65’000 Jahre alte Geschichte der Urbevölkerung des Kontinents Australien endlich in der Verfassung anzuerkennen, sagte die Ministerin für indigene Australier, Linda Burney.
Premierminister Anthony Albanese schrieb auf Twitter: «Gemeinsam können wir Geschichte schreiben mit der Anerkennung von Aborigines und Torres-Strait-Insulanern in unserer Verfassung.» Albanese hatte das «Voice to Parliament»-Referendum seit seinem Wahlsieg im Mai 2022 vorangetrieben.
Von den rund 26 Millionen Australiern und Australierinnen sind etwa eine Million indigene Aborigines und Torres-Strait-Insulaner – so der Name der indigenen Bevölkerung auf den gleichnamigen Inseln. Der Torres Strait ist die Meerenge zwischen der Südküste Neuguineas (Western Province) und der nordostaustralischen Halbinsel Cape York.
Gespaltenes Land
Australien ist bei der Frage über das Voice-Referendum sehr gespalten. Für eine Verfassungsänderung ist zudem ein doppeltes Ja (wie in der Schweiz bei einer Verfassungsänderung) notwendig: Nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch eine Mehrheit der sechs Bundesstaaten und Territorien (also vier) muss sich für das neue Gremium «Voice to Parliament» aussprechen.
Dokumentation des Parlaments von Australien
Die Ureinwohner werden in der 1901 geschaffenen Verfassung Australiens nicht erwähnt. Erst 1967 wurden ihnen überhaupt Bürgerrechte eingeräumt. Von grossen Teilen der weissen Mehrheit in Australien wird die indigene Bevölkerung nach wie vor ausgegrenzt, obwohl sie das Land schon seit zehntausenden Jahren besiedelt. Nach der Ankunft der «First Fleet» (Erste Flotte) aus Grossbritannien 1788 und der darauffolgenden Kolonisierung des Kontinents wurden viele Jahrzehnte lang Kinder von Aborigines ihren Eltern entrissen. Die «gestohlene Generation» wuchs in Heimen oder bei weissen Familien auf.