Die türkische Lira fällt und fällt. Und die türkische Zentralbank blieb lange still. Nun teilt sie mit, dass sie den Banken genügend Geld für ihre Zahlungen zusagt, also ihre Liquidität garantiert. So werden dem Finanzmarkt rund 10 Milliarden zugeführt. Sprich die Banken müssen weniger Reserven in Lira halten – was ihnen mehr Spielraum gibt.
Daraufhin erholte sich der Kurs der Lira leicht. Aber nur für kurze Zeit. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan sind die Schuldigen dieser Krise die USA: Was sie vor zwei Jahren mit einem Putsch nicht geschafft hätten, versuchten sie nun mit einem Angriff auf die Währung, sagt er. SRF-Wirtschaftsredaktorin Maren Peters sieht da andere Zusammenhänge, die sie im Interview erklärt.
SRF: Wo sehen Sie die Ursache dieser Währungskrise?
Maren Peters: Ich denke die ist vor allem politischer Natur. Hohe Inflation gibt es schon länger in der Türkei, aber der Verfall der Währung hat erst so richtig im Mai begonnen. Da hat Erdogan angekündigt, die türkische Geldpolitik stärker unter seine Kontrolle zu bringen und damit das Vertrauen der Finanzmärkte erschüttert. Nach den Präsident- und Parlamentswahlen in Juni folgte dann ein weiterer Schock, als Erdogan seinen Schwiegersohn zum Finanz- und Wirtschaftsminister ernannte. Und dann kam noch die Krise mit dem US-Pastor Branson hinzu. Seine Festnahme provozierte US-Präsident Trump und das führte dann dazu, dass Trump Sanktionen gegen die Türkei verhängte.
Nun treten auch die Sanktionen der USA in Kraft: Auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus der Türkei werden Zölle von 50 Prozent erhoben. Welche Rolle spielen diese Sanktionen bei der aktuellen Krise?
Sie haben vor allem die Panik an den Finanzmärkten noch verschärft und schon bei ihrer Ankündigung am Freitag den Absturz der Lira gegenüber dem Dollar und dem Euro beschleunigt. Erdogan Schwiegersohn hat dann zwar versucht, mit der Vorstellung eines neuen Wirtschaftsmodells gegenzusteuern, aber die Investoren konnte er damit offenbar nicht überzeugen.
Die Inflationsrate in der Türkei liegt bei rund 15 Prozent, also sehr hoch. Viele Ökonomen raten zu einer Erhöhung der Zinsen – damit es sich wieder lohnt, Lira zu kaufen und die Währung so an Wert gewinnt. Aber Erdogan wehrt sich strikt dagegen. Er bezeichnet sich als Gegner der Zinsen. Warum diese Haltung?
Ich würde schlicht sagen, weil er Erdogan ist. Er vertritt stur die These, dass niedrige Zinsen das Wachstum ankurbeln und die derzeit sehr hohen Inflationsraten quasi von alleine wieder auf Normalmass zurückgehen. Die Krise könne dann so beigelegt werden.
Ökonomisch macht das wenig Sinn.
Mit dieser Auffassung steht er aber ziemlich allein da. Ökonomisch macht das wenig Sinn. Und weil auch die Investoren nicht glauben, dass dieser Plan aufgehen kann, wird er nicht funktionieren.
Die Unternehmen und Banken in der Türkei sind hoch verschuldet – oftmals in Dollar. Mit der Inflation, wenn die Lira weniger Wert hat, wird es teurer, die Schulden am Finanzmarkt zurückzuzahlen. Läuft das auf einen Kollaps zu?
Diese Befürchtung macht sich zumindest am Finanzmarkt breit. Die Angst vor einem Staatsbankrott geht um. Aus der Währungskrise ist längst eine Schuldenkrise geworden und es wird immer schwerer, diese Schulden zu bedienen.
Wer wird der Türkei aus der Krise helfen – der Internationale Währungsfonds IWF?
Das wäre theoretisch eine Option, aber Erdogan hat am Wochenende diese Option klar abgelehnt. Vermutlich, weil Kredite des IWFs nie ohne Bedingungen zu haben sind. Diese gehen meist einher mit strengen Sparauflagen. Der IWF würde bei der türkischen Wirtschaftspolitik mitreden wollen, und das will Erdogan, wie es aussieht, auf jeden Fall vermeiden.
Was hat Präsident Erdogan denn für Alternativen?
Er könnte das tun, was Ökonomen am sinnvollsten erachten: Der türkischen Notenbank nicht mehr reinreden und den Weg freimachen für eine kräftige Zinserhöhung, um die Inflation auf ein gesundes Mass zurückzubringen sowie das Budget in Ordnung bringen.
China wäre vielleicht noch bereit, der Türkei zu helfen, würde sich das aber durch politische Zugeständnisse teuer bezahlen lassen.
Falls er das nicht macht – und im Moment sieht es eher danach aus – könnte er noch Grossmächte wie Russland und China um Hilfe bitten. Russland hat im Moment allerdings selbst ein Währungsproblem, das eine Folge der türkischen Währungskrise ist. China wäre vielleicht noch bereit, der Türkei zu helfen, würde sich das aber durch politische Zugeständnisse teuer bezahlen lassen.
Zu den Auswirkungen dieser Finanzkrise auf andere europäische Ländern: Besonders Banken in Spanien, aber auch in Frankreich und Italien haben Milliardenbeträge in Dollar an türkische Schuldner ausgeliehen. Wenn diese nun nicht zahlen können – wird das diese Banken in den Abgrund reissen?
Ganz auszuschliessen ist das nicht, es ist im Moment aber schwer abzusehen. Banken wie BNP Paribas oder Unicredit sind unterschiedlich exponiert in der Türkei.
Die Ansteckungsgefahr für die europäischen Banken insgesamt dürfte begrenzt sein.
Ein Vorteil ist immerhin, dass die Mehrheit der Branche nicht sehr exponiert ist. Die Ansteckungsgefahr für die europäischen Banken insgesamt dürfte also begrenzt sein. Das ist also eine ganz andere Ausgangslage als dies in Griechenland der Fall war.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.