Tschechien hat am Wochenende 18 russische Diplomaten des Landes verwiesen. Der Grund: Russische Geheimagenten sollen für Explosionen in einer Munitionsfabrik verantwortlich sein, die zwei Menschenleben kosteten. Moskau hat umgehend seinerseits 20 Angestellte der tschechischen Botschaft des Landes verwiesen. Eine Belastungsprobe für das Kreml-kritische und das Kreml-freundliche Lager, so Journalist Kilian Kirchgessner.
SRF News: Was wirft Tschechien Russland aktuell konkret vor?
Kilian Kirchgessner: Hintergrund der Eskalation sind die Explosionen in Vrbetice. Die Waffen, die dort gelagert wurden, hätten von privaten Waffenhändlern auf Umwegen über Bulgarien in die Ukraine gehen sollen.
Welche Beweise es gibt, bleibt im Dunkeln, da es eine Angelegenheit des Geheimdienstes ist.
Es war gerade die Zeit, als der Konflikt auf der Krim losging. Es war also eine Waffenunterstützung für die Kämpfer aus der Ukraine. Russland soll mit zwei Agenten offenbar dafür gesorgt haben, dass das Lager in die Luft fliegt, damit die Waffen nicht an ihr Ziel gelangen. Das ist der Vorwurf. Welche Beweise es gibt, bleibt im Dunkeln, da es eine Angelegenheit des Geheimdienstes ist.
Das war 2014. Weiss man, warum Tschechien erst jetzt handelt?
Das ist nicht ganz verwunderlich. Wenn es keine unmittelbaren Beweise gibt, bleiben die Ermittlungen bei solchen Fällen oftmals stecken. Man ging zunächst davon aus, dass es menschliches Versagen war. Es gab keine Hinweise auf ein Fremdverschulden, was wohl für die Art der Ausführung spricht. Warum der Vorwurf aber jetzt aufs Tapet kommt, ist tatsächlich die grosse Frage. Auch die Politiker sollen erst seit wenigen Tagen im Bild sein.
Wie sind die Reaktionen im Land?
Es ist überall ein sehr grosses Entsetzen zu spüren, denn die russisch-tschechischen Beziehungen standen immer unter gewissen Belastungen. Man denke an das Jahr 1968, an den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen zur Niederschlagung des Prager Frühlings. Das ist für viele Tschechinnen und Tschechen bis heute ein traumatisches Ereignis. Nichtsdestotrotz gibt es in der tschechischen Politik viele, die eine Kreml-freundliche Politik fahren. Und dieses Lagerdenken überschattet immer auch das Verhältnis zu Moskau.
Wie schätzen Sie die Folgen für das Verhältnis ein?
Russlands reziproke Reaktion ist sehr heikel. Die russische Botschaft in Tschechien hat eine dreistellige Anzahl Diplomaten. Das heisst, auch nach der Ausweisung von 18 Diplomaten sind noch sehr viele übrig. Das hängt damit zusammen, dass Russland – das gilt als offenes Geheimnis – von Prag aus Spionage betreibt, die nicht nur Tschechien betrifft, sondern auch Westeuropa. Die tschechische Botschaft in Moskau wiederum, die jetzt 20 Diplomaten verliert, ist damit quasi unbesetzt, es sind nur noch fünf übrig.
Präsident Miloš Zeman gilt als russlandfreundlich. Ist es da nicht einigermassen erstaunlich, dass Tschechien auf Konfrontation geht?
Die tschechische Bevölkerung selbst ist in der Mehrheit eher skeptisch gegenüber Russland. Es gibt aber in der Politik ein ausgeprägtes Lager von Kreml-freundlichen Vertretern, und dazu zählt insbesondere der Präsident.
Die tschechische Bevölkerung selbst ist in der Mehrheit eher skeptisch gegenüber Russland.
Er sei bei der Ausweisung der russischen Diplomaten, so ist zu hören, tatsächlich im Vorfeld informiert gewesen. Er hat sich allerdings selbst noch nicht zu Wort gemeldet. Es ist also gewissermassen ein sehr lautes Schweigen, das da zu hören ist. Zur Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen muss man allerdings sagen, dass Russland kein allzu entscheidender Verbündeter ist.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.