Man traut seinen Augen kaum. Es scheint, als hätte ein riesiger Riese seinen Helm auf einem Berggipfel abgelegt. So wirkt die Kuppel des Extremely Large Telescopes (ELT) aus der Ferne. Sie thront in der chilenischen Atacamawüste auf dem 3000 Meter hohen Cerro Armazones.
Die rund 80-Meter-hohe Kuppelstruktur des neuen Superteleskops ist bereits fertiggestellt, rund 60 Prozent der Bauarbeiten sind abgeschlossen. Bauherrin ist die Europäische Südsternwarte ESO, zu der auch die Schweiz gehört.
Auf der Suche nach Leben
Wir besuchen die Baustelle mit dem Schweizer Astronomen Bruno Leibundgut. Er arbeitet seit vielen Jahren für die ESO, derzeit als wissenschaftlicher Direktor. Leibundgut kann seine Begeisterung für den Bau kaum verbergen. Als Wissenschaftler sieht er nicht nur die beeindruckenden Dimensionen, sondern auch die Möglichkeiten, die das ELT dereinst bieten wird.
Die Grösse des Teleskops wird es erlauben, noch lichtschwächere Objekte und feinere Strukturen im Weltraum zu sehen. Ein Ziel sei es etwa sogenannte Exoplaneten – also Planeten, die um ferne Sterne kreisen – direkt zu beobachten. Vielleicht werde es sogar gelingen, dort Spuren von Leben nachzuweisen. Aber auch Sterne und Galaxien werde man besser analysieren können.
100 Millionen mal empfindlicher als das Auge
Die Leistungsfähigkeit eines Teleskops hängt vor allem von der Grösse seines Spiegels ab: Umso grösser der Spiegel, desto mehr Licht kann er sammeln. Der Spiegel wird beim ELT einen Durchmesser von 39 Metern haben. Das ist etwa 100-mal grösser als bei einem Amateur-Teleskop oder rund viermal grösser als beim aktuell grössten Teleskop. Oder: Das ELT wird 100 Millionen mal lichtempfindlicher sein als das menschliche Auge.
Der ganze Aufwand diene letztlich einem grossen Ziel, sagt Leibundgut. Mit dem ELT werde es hoffentlich gelingen, dem Universum weitere Geheimnisse zu entlocken. Dabei stellt der Astronom die grossen Fragen in den Raum: Wie ist das Universum entstanden? Gibt es irgendwo Leben da draussen? Woher kommen wir?
Auch die ETH ist dabei
Nicht nur in Chile schreitet der Bau des Teleskops voran. In einer Werkhalle in der Nähe von Zürich baut die ETH derzeit eine grosse Kühlkammer, die Teil des Superteleskops sein wird. Im sogenannten Kryostat wird das Infrarot-Messinstrument des ELT nach der Inbetriebnahme auf eine Temperatur von -200 Grad heruntergekühlt. Nur bei dieser tiefen Temperatur kann die schwache Infrarotstrahlung aus dem Weltraum gemessen werden, erklärt Adrian Glauser. Er leitet das Labor für astronomische Instrumentierung an der ETH Zürich und ist in leitender Funktion am Bau des Messinstruments beteiligt.
Wir sind bei einem ganz anderen Massstab angekommen.
«Das wird ein Allround-Instrument», sagt Glauser. «Es wird die ganze Palette der Astronomie bedienen. Aber es wird sich vor allem eignen für die Erforschung von Exoplaneten.» Glauser hat schon an einem ähnlichen Instrument für das James-Webb-Weltraumteleskop mitgearbeitet. Sein aktuelles Projekt unterscheide sich vor allem in einem Punkt, sagt er, alles sei viel grösser. «Wir sind bei einem ganz anderen Massstab angekommen.»
Das gilt auch für die Kosten des ELT. Sie werden auf über eine Milliarde Franken beziffert. Im Jahr 2028 soll das Teleskop fertig sein und sein Riesenauge erstmals aufs Universum richten.