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Belgien entschuldigt sich für Tötung von Kongos erstem Premier
Aus Echo der Zeit vom 20.06.2022. Bild: Keystone
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Belgien entschuldigt sich Belgien gibt Zahn von Volksheld Patrice Lumumba an Kongo zurück

Die ehemalige Kolonialmacht Belgien entschuldigt sich für ihre Rolle beim Mord am ersten Premier Kongos vor 61 Jahren.

61 Jahre nach der Ermordung des ersten Premierministers der unabhängigen Republik Kongo hat sich die belgische Regierung offiziell entschuldigt, an der Tötung von Patrice Lumumba beteiligt gewesen zu sein.

In einer symbolischen Zeremonie übergab die belgische Justiz Lumumbas Nachkommen einen Zahn. Es ist das einzige erhaltene Körperteil des Nationalhelden, der unter Mithilfe von westlichen Geheimdiensten und Polizei gefoltert und getötet wurde.

Patrice Lumumba.
Legende: Patrice Lumumba sitzt am 2. Dezember 1960 gefesselt auf einem Lastwagen in Leopoldville. Als erster Premier des unvorbereitet in die Unabhängigkeit entlassenen Landes konnte er einen Bürgerkrieg nicht verhindern. Er wurde von Sezessionisten gefangengesetzt und am 17. Januar 1961 in Lubumbashi 36-jährig ermordet. Keystone

Überfälliger Versöhnungsprozess soll beginnen

Beide Länder verbinden mit dieser historischen Geste die Hoffnung auf den Beginn eines überfälligen Versöhnungsprozesses. Wie ihr Vater umgebracht wurde, wann, wo, von wem und warum, wisse man bis heute nicht, sagte Juliana Lumumba in ihrer Ansprache.

Und ihr Bruder Roland Lumumba hielt fest: «Ohne Beerdigung irrt die Seele eines Menschen umher. Aber jede Seele muss zur Ruhe kommen.» Das ist der Sinn der einfachen Zeremonie, über sechs Jahrzehnte nach der Ermordung des Unabhängigkeitsführers. Und die Rückführung des Zahns Lumumbas soll es möglich machen.

Ohne Beerdigung irrt die Seele eines Menschen umher. Aber jede Seele muss zur Ruhe kommen.
Autor: Roland Lumumba Sohn von Patrice Lumumba

Die  makabre Jagdtrophäe wurde erst vor wenigen Jahren wieder gefunden. Wie ein Grosswildjäger hatte ein ehemaliger belgischer Polizeikommissar zwei Zähne und zwei Finger Lumumbas aufbewahrt, während er mit Komplizen den Rest des Körpers in Säure auflöste. In der Hoffnung, keine Spur dieses Volkshelden zu hinterlassen.

Übergabe der sterblichen Überreste von Patrice Lumumba.
Legende: Die sterblichen Überreste des Unabhängigkeitsführers und ersten Premiers von Kongo, Patrice Emery Lumumba, sind am Montag an die Familie zurückgegeben worden. Die symbolische Zeremonie fand vor dem Egmont-Palast in Brüssel statt. imago images

Die Nachkommen Lumumbas hatten den belgischen König um Rückgabe der sterblichen Überreste gebeten. Der König war einsichtig und die Regierung reagierte verständnisvoll. Auch wegen der öffentlichen Proteste in Brüssel auf dem Höhepunkt der Black Live Matters Bewegung.

«Diese feierliche Zeremonie bleibt ein beliebiges Datum, wenn wir daraus keine Lehren ziehen», erklärte Juliana Lumumba. In Zukunft müssten die Kinder Belgiens und des Kongo wieder lernen, zusammen zu leben. Sie wiederholte damit bloss eindringliche Worte ihres Vaters damals, des charismatischen Kämpfers für Selbstbestimmung.

Diese feierliche Zeremonie bleibt ein beliebiges Datum, wenn wir daraus keine Lehren ziehen.
Autor: Juliana Lumumba Tochter von Patrice Lumumba

Belgien sah in Lumumba eine Bedrohung, weil der Autodidakt innert kurzer Zeit zum pan-afrikanischen Anführer der Unabhängigkeitsbewegung wurde. Die belgische Regierung und das belgische Königshaus fürchteten, allen Einfluss im rohstoffreichen Kongo zu verlieren.

Undenkbar für die damalige wirtschaftliche und politische Elite, die ohne Skrupel die riesige Kolonie jahrzehntelang ausbeuten konnte. Darum mussten Lumumbas Körper und Geist verschwinden. «Vater, willkommen zurück in der Heimat», schloss Juliana Lumumba.

Lumumba
Legende: Die kongolesische Politikerin Juliana Lumumba, Tochter des 1961 ermordeten Patrice Lumumba, neben Belgiens König Philipp sowie den beiden Brüdern Roland und François Lumumba. Beide Länder verbinden mit der historischen Geste die Hoffnung auf den Beginn eines überfälligen Versöhnungsprozesses. imago images

Premier De Croo: «Endlich, aber viel zu spät»

Voran ging diesen emotionalen Worten eine historische Entschuldigung von unüblicher Klarheit, überbracht vom belgischen Premierminister Alexander De Croo: «Mehrere Minister der damaligen Regierung tragen eine moralische Mitschuld am Tod von Lumumba. Im Namen der belgischen Regierung entschuldige ich mich bei der Familie des ersten Premierministers Kongos.»

De Croo.
Legende: Der belgische Premierminister Alexander De Croo begrüsst seinen kongolesischen Amtskollegen Jean-Michel Sama Lukonde zur offiziellen Zeremonie vor dem Egmont-Palast in Brüssel. imago images

Endlich – dieses Wort sei heute auf allen Lippen, hatte Alexander de Croo seine kurze Ansprache eingeleitet. Doch endlich bedeute in diesem Fall «viel zu spät». Viel zu spät erfolgt der schuldvolle Blick zurück. Begleitet von der Hoffnung, endlich einen Schritt nach vorne zu machen, in Richtung Versöhnung.

Echo der Zeit, 20.06.2022, 18:00 Uhr

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