61 Jahre nach der Ermordung des ersten Premierministers der unabhängigen Republik Kongo hat sich die belgische Regierung offiziell entschuldigt, an der Tötung von Patrice Lumumba beteiligt gewesen zu sein.
In einer symbolischen Zeremonie übergab die belgische Justiz Lumumbas Nachkommen einen Zahn. Es ist das einzige erhaltene Körperteil des Nationalhelden, der unter Mithilfe von westlichen Geheimdiensten und Polizei gefoltert und getötet wurde.
Überfälliger Versöhnungsprozess soll beginnen
Beide Länder verbinden mit dieser historischen Geste die Hoffnung auf den Beginn eines überfälligen Versöhnungsprozesses. Wie ihr Vater umgebracht wurde, wann, wo, von wem und warum, wisse man bis heute nicht, sagte Juliana Lumumba in ihrer Ansprache.
Und ihr Bruder Roland Lumumba hielt fest: «Ohne Beerdigung irrt die Seele eines Menschen umher. Aber jede Seele muss zur Ruhe kommen.» Das ist der Sinn der einfachen Zeremonie, über sechs Jahrzehnte nach der Ermordung des Unabhängigkeitsführers. Und die Rückführung des Zahns Lumumbas soll es möglich machen.
Ohne Beerdigung irrt die Seele eines Menschen umher. Aber jede Seele muss zur Ruhe kommen.
Die makabre Jagdtrophäe wurde erst vor wenigen Jahren wieder gefunden. Wie ein Grosswildjäger hatte ein ehemaliger belgischer Polizeikommissar zwei Zähne und zwei Finger Lumumbas aufbewahrt, während er mit Komplizen den Rest des Körpers in Säure auflöste. In der Hoffnung, keine Spur dieses Volkshelden zu hinterlassen.
Die Nachkommen Lumumbas hatten den belgischen König um Rückgabe der sterblichen Überreste gebeten. Der König war einsichtig und die Regierung reagierte verständnisvoll. Auch wegen der öffentlichen Proteste in Brüssel auf dem Höhepunkt der Black Live Matters Bewegung.
«Diese feierliche Zeremonie bleibt ein beliebiges Datum, wenn wir daraus keine Lehren ziehen», erklärte Juliana Lumumba. In Zukunft müssten die Kinder Belgiens und des Kongo wieder lernen, zusammen zu leben. Sie wiederholte damit bloss eindringliche Worte ihres Vaters damals, des charismatischen Kämpfers für Selbstbestimmung.
Diese feierliche Zeremonie bleibt ein beliebiges Datum, wenn wir daraus keine Lehren ziehen.
Belgien sah in Lumumba eine Bedrohung, weil der Autodidakt innert kurzer Zeit zum pan-afrikanischen Anführer der Unabhängigkeitsbewegung wurde. Die belgische Regierung und das belgische Königshaus fürchteten, allen Einfluss im rohstoffreichen Kongo zu verlieren.
Undenkbar für die damalige wirtschaftliche und politische Elite, die ohne Skrupel die riesige Kolonie jahrzehntelang ausbeuten konnte. Darum mussten Lumumbas Körper und Geist verschwinden. «Vater, willkommen zurück in der Heimat», schloss Juliana Lumumba.
Premier De Croo: «Endlich, aber viel zu spät»
Voran ging diesen emotionalen Worten eine historische Entschuldigung von unüblicher Klarheit, überbracht vom belgischen Premierminister Alexander De Croo: «Mehrere Minister der damaligen Regierung tragen eine moralische Mitschuld am Tod von Lumumba. Im Namen der belgischen Regierung entschuldige ich mich bei der Familie des ersten Premierministers Kongos.»
Endlich – dieses Wort sei heute auf allen Lippen, hatte Alexander de Croo seine kurze Ansprache eingeleitet. Doch endlich bedeute in diesem Fall «viel zu spät». Viel zu spät erfolgt der schuldvolle Blick zurück. Begleitet von der Hoffnung, endlich einen Schritt nach vorne zu machen, in Richtung Versöhnung.