Es war eine der ersten Amtshandlungen von Kolumbiens Präsident Gustavo Petro: Letzten November holte der einstige Guerillero das Gesetz 418 von 1991 aus der Schublade und erweiterte es. Er habe damit die juristische Grundlage für den «Paz total», den «totalen Frieden», geschaffen, sagte Petro. «Jetzt kann die Regierung mit jenen verhandeln, die im Konflikt mit dem Gesetz stehen, um den Traum zu erreichen.»
Der Weg zum Traum, zum «totalen Frieden» in Kolumbien, ist lang, steinig und blutig. Der bewaffnete Konflikt zwischen dem kolumbianischen Staat und den Guerillas ist einer der längsten der Welt. Er umspannt fast 60 Jahre und hat über 260'000 Menschenleben gefordert.
Regierung und Guerilla an einem Tisch
«Wir befinden uns in einem Prozess, von dem sich viele grössere Erfolge wünschen – aber es gibt noch so viel zu tun», sagt Luis Eduardo Celis. Es brauche Zeit, um Brücken zu bauenۚ, betont der Experte bei der NGO Fundación Paz y Reconciliación.
Es gibt noch viel zu tun.
Celis beobachtet den Friedensprozess seit Jahren, er wünscht sich endlich Frieden in seinem Land. Immerhin: Die Regierung von Staatspräsident Petro habe in kurzer Zeit schon einiges erreicht, sagt Celis.
Man sitze jetzt wieder an einem Tisch zu Gesprächen, wie das letztmals unter Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos der Fall gewesen sei. Er hatte damals den Frieden mit der grössten Guerilla des Landes Farc erreicht.
Santos’ Nachfolger Ivan Duque brach den Dialog mit der zweitgrössten Guerilla, der selbsternannten Nationalen Befreiungsarmee ELN, ab.
Schweiz unterstützt Friedensbemühungen
Insgesamt fünf verschiedene kolumbianische Regierungen haben über Jahrzehnte versucht, Frieden in Kolumbien herzustellen. Die Regierung von Gustavo Petro ist die sechste – und die erste Linksregierung des Landes.
Reibungslos verlaufen die Verhandlungen nicht: Anfang Jahr verkündete Petros Regierung voreilig einen Waffenstillstand, ohne auf die Zustimmung der ELN-Basis zu warten. Inzwischen scheint die Regierung verstanden zu haben, dass die ELN, anders als die Farc, basisdemokratisch funktioniert.
Vielerorts in Kolumbien funktioniert der Rechtsstaat nicht.
Zwei Verhandlungsrunden mit der ELN hat die Regierung Petro nun schon hinter sich, eine dritte steht demnächst an. Die UNO, Chile, Kuba aber auch europäische Staaten wie Schweden oder die Schweiz begleiten die Friedensbemühungen.
Das helfe dabei, das Vertrauen zu stärken, sagt Celis. Denn der kolumbianische Staat sei sehr schwach. «Vielerorts funktioniert der Rechtsstaat nicht.» Dort funktionierten allerdings Guerillas, Mafias oder Paramilitärs.
Beteiligte zeigen ihren Willen zum Diskurs
Dass die Regierung mit mutmasslichen Drogenschmugglern verhandelt, kritisieren Petros Kritikerinnen und Kritiker scharf. Doch es sei der einzige Weg, sagt Experte Celis. Das hätten die Jahrzehnte der Gewalt gezeigt.
Sowohl die kolumbianische Regierung als auch die ELN-Guerilla haben sich nun schriftlich dazu verpflichtet, weiter auf ein Friedensabkommen hinzuarbeiten und am Verhandlungstisch sitzen zu bleiben. Das sei wichtig, sagt Celis, auch wenn der Weg bis zum Frieden in Kolumbien noch weit bleibe: «Die Aufgabe ist immens. Vielleicht schafft es diese Regierung nicht in ihrer Amtszeit, alles zu erreichen. Aber sie kann einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung machen.»