In Indien ist die BBC wegen Verleumdung angeklagt. Die British Broadcasting Corporation, kurz BBC, ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Grossbritanniens. Sie betreibt mehrere auch internationale Radio- und TV-Programme sowie einen Internet-Nachrichtendienst. Das renommierte Medienhaus existiert seit gut 100 Jahren.
Warum muss sich die BBC vor Gericht verantworten?
Die Klage steht im Zusammenhang mit einer BBC-Dokumentation über die frühen Jahre des amtierenden indischen Premierministers Narendra Modi. Er war damals noch Regierungschef des Bundesstaats Gujarat. Dort gab es 2002 blutige Unruhen zwischen Hindus und Muslimen. Mehr als 1000 Menschen kamen ums Leben, überwiegend Muslime. Die BBC-Dokumentation zitiert unter anderem einen britischen Regierungsbericht, der dem Hindu-Nationalisten Modi eine Mitschuld an der Gewaltorgie gibt. Dass diese Geschichte wieder aufgerollt wird, kann Modi nicht gefallen: In diesem Jahr ist er als G20-Vorsitzender sehr im Fokus der Öffentlichkeit. Und im nächsten Jahr sind Wahlen in Indien.
Hat die indische Regierung diese Klage eingereicht?
Nein, die Klage wurde von einer Nichtregierungsorganisation eingereicht. Sie heisst Justice on Trial (dt. «Justiz auf dem Prüfstand») und ist im Westen weitgehend unbekannt. Ihr selbsterklärtes Ziel ist, herrschende Ungerechtigkeiten aufzudecken und die Einheit und Integrität Indiens zu fördern. Warum sich diese Organisation nun für die indische Regierung einsetzt, ist nicht klar. Schliesslich kann sich ein amtierender Regierungschef selbst wehren – und das hat er auch bereits getan.
Wie hat die indische Regierung reagiert?
Kurz nach der Ausstrahlung der Doku im Januar hat die Regierung den Film als «einseitige Propaganda» bezeichnet und die Ausstrahlung von Clips aus dieser Dokumentation auf Social Media untersagt. Im Februar dann hat die Steuerbehörde die Büros der BBC in Mumbai und Delhi drei Tage lang durchsucht. Sie suchte Belege für angebliche Steuervergehen. In Indien ist es ein gängiges Verfahren, kritische Medien und NGOs einzuschüchtern, indem ihnen Steuervergehen zur Last gelegt werden. Im April ist zusätzlich eine offizielle Untersuchung gegen die BBC in dieser Sache eingeleitet worden. Neu ist, dass die BBC sich auch wegen angeblicher Verleumdung rechtfertigen muss.
Hat diese Klage Aussicht auf Erfolg?
Das ist schwer vorauszusagen. Diese Klage ist noch in einem sehr frühen Stadium. Die BBC hat bis am 25. September Zeit, Stellung zu nehmen. Ob sie am Ende freigesprochen wird, hängt auch davon ab, wie unabhängig das Gericht entscheidet. In Indien ist das nicht selbstverständlich; der nationale Oppositionsführer Rahul Gandhi ist kürzlich von einem Regionalgericht in Gujarat zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er hat angeblich den Namen Modi verleumdet. Daran sieht man, wie Gerichtsurteile politisch gefärbt sein können. Die Chancen stehen beim obersten Gericht in Delhi besser, dass die BBC ein faires Verfahren bekommt. Aber selbst wenn sie freigesprochen würde: Etwas bleibt immer hängen. Das Ziel solcher Klagen ist Einschüchterung und dass weniger kritisch berichtet wird. Das setzt ein Medienhaus unter Druck.