Die britische BBC ist das Flaggschiff in der Flotte der weltweiten Service-Public-Medien. Punkto Glaubwürdigkeit geniesst sie nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf.
Dennoch hat sich die konservative Regierung von Boris Johnson auf die BBC eingeschossen. So will Kulturministerin Nadine Dorries die Rundfunkgebühren einfrieren. Und im Jahr 2027 droht gar eine vollständige Abschaffung der Rundfunkgebühren in Grossbritannien. Zwar versichert Dorries, niemand in der Regierung wolle die BBC zerstören. Bloss: Wer glaubt's?
Unbequem für die Regierungen
Den britischen Konservativen und ihrem populistischen Premier Boris Johnson ist die BBC zu unabhängig und zu einflussreich. Ihm passen die eher unpolitischen Privatsender und die mehrheitlich rechts positionierten britischen Zeitungen besser.
Regierungen beanspruchen selber die Herrschaft über die Informationen und deren Deutung.
Populistische Regierungen – egal ob rechte oder linke – hätten häufig ein schwieriges Verhältnis zu Medien, sagt Noel Curran, Generaldirektor der Europäischen Rundfunkunion EBU. Und Mary Hockaday, die Chefin des BBC World Service, konstatiert gegenüber SRF: «Regierungen beanspruchen selber die Herrschaft über die Informationen und deren Deutung.»
Ausserdem reagierten sie aggressiv auf Kritik. Deshalb werden amtliche Informationsdienste immer grösser. Manche Regierungen versuchen, Journalisten zu gängeln oder gleich ganz zu umgehen, indem sie sich selbst direkt ans Publikum wenden.
Radikaler Wandel
In einem Videoseminar des Wiener Presseclubs Concordia sagt die renommierte Journalismusprofessorin Emily Bell, die zuvor das gesamte Digitalangebot des britischen «Guardian» verantwortete und heute an der Columbia-Universität in New York lehrt: «Fünfzig Jahre lang war die Medienlandschaft im demokratischen Europa stabil – mit starken privaten Zeitungen und starken öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsendern.»
Doch jetzt habe mit den riesigen Techkonzernen und sozialen Kommunikationsplattformen als Treiber ein radikaler Wandel eingesetzt. «Dadurch bekommen Randmeinungen, auch extreme, viel mehr Resonanz als früher.»
Randmeinungen, auch extreme, erhalten viel mehr Resonanz als früher.
In zunehmend autoritär regierten Ländern wie Polen oder Ungarn wurden Service-Public-Anstalten weitgehend zu staatshörigen Sendern umfunktioniert. Doch auch in Deutschland, in der Schweiz, in Grossbritannien, in Frankreich oder Skandinavien wird um die Rundfunkbeiträge gestritten.
Delphine Ernotte, die Präsidentin von France Télévision spricht von starkem Gegenwind. Dabei seien Service-Public-Medien, zusammen mit Qualitätszeitungen das beste Rezept gegen die wachsenden Gräben in der Gesellschaft, gegen die Radikalisierung, welche Demokratien gefährde.
Druck von allen Seiten
Neben dem politischen Druck, dem finanziellen Druck, dem Marktdruck der Internetgiganten lastet auch noch der demografische Druck auf den klassischen Medien. Sie tun sich schwer, ein junges Publikum für ihre Angebote in Zeitungen, Radio und Fernsehen zu gewinnen, wie EBU-Chef Curran betont. Damit schwindet auch die Loyalität wachsender Bevölkerungsgruppen gegenüber öffentlich-rechtlichen Medien.
Deshalb suchen sie nun alle den Weg in die digitalen Kanäle. Sie wollen journalistisch hochwertige Angebote auch digital bereitstellen und damit neue oder verlorene Publikumsgruppen erreichen. Teilerfolge gibt es. Doch den Königsweg hat noch niemand gefunden.
Die einstmals dominierende Akteure in der alten Medienwelt sind in der neuen Welt oft nur ein Anbieter unter vielen.