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Berichterstattung zu Israel Al Jazeera riskiert seinen Ruf

Seit dem Hamas-Angriff auf Israel unterscheidet sich die Berichterstattung westlicher und arabischer Medien fundamental. Letztere beziehen mehrheitlich klar Position – gegen Israel und meistens zugunsten der Hamas. Der führende Nachrichtensender Al Jazeera riskiert damit seinen Ruf.

Arabische Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsender haben nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel Position bezogen: nicht journalistisch-distanziert, sondern entschieden parteiisch. Besonders einseitig berichten Kanäle wie Al Mayadeen, welcher der Hisbollah nahesteht. Oder Al Arabyia, der von saudischem Geld lebt.

Etwas weniger ausgeprägt ist das bei Al Jazeera, das sich seit 1996 einen guten Ruf als einer der führenden internationalen Nachrichtensender erarbeitet hat. Doch auch hier ist die Schlagseite deutlich.

BBC als Vorbild

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Al Jazeera entstand 1996, nachdem eine Kooperation der britischen BBC mit einem saudi-arabischen Medienkonzern gescheitert war. Der Emir von Katar heuerte die dort entlassenen Reporter an und gründete einen neuen Sender, der journalistisch unabhängig sein sollte, nach dem Vorbild der BBC. Der Sender übernahm zu Beginn Meldungen von Nachrichtenagenturen wie Reuters und AP unverändert und ergänzte sie mit arabischen Ansichten.

Mehr zur Geschichte und Entwicklung von Al Jazeera

Oft wird stundenlang über pro-palästinensische Kundgebungen von Brüssel über Berlin bis Kairo und Istanbul berichtet. Ohne jede Distanz und meist, ohne dass die israelische Sichtweise oder israelische Opfer und Geiseln überhaupt vorkommen. Wenn Israelis interviewt werden, dann meistens sehr hart. Oder es werden solche ausgewählt, die ihre eigene Regierung aufs Schärfste kritisieren.

Einzelne Positivbeispiele – trübes Gesamtbild

Die Hamas hingegen bekommt eine breite Plattform und wird nie als Terrororganisation bezeichnet. Hamas-Sprecher dürfen sogar dem gewalttätigen Widerstand das Wort reden. Immerhin wahrt man zumindest im englischsprachigen Kanal ein Minimum an Professionalität.

So fragte ein Moderator einen Hamas-Führer, wie er Gewalt gegen Zivilisten rechtfertige. Der Hamas-Führer meinte brüsk, das sei die falsche Frage. Doch der Moderator hakte mehrfach nach, was in ein Wortgefecht mündete. Das ist ein Positivbeispiel.

Das Gesamtbild jedoch ist eher trüb. Damit riskiert Al Jazeera seinen Ruf. Da mag Generaldirektor Mustafa Souag noch so beteuern – wie er das seit Jahren immer wieder tut, auch gegenüber SRF – sein Sender arbeite professionell und das werde so bleiben: «Der Staat Katar finanziert zwar Al Jazeera, mischt sich aber überhaupt nicht in die Berichterstattung ein.»

Katar und Al Jazeera stehen im Rampenlicht

Katar als Zahlmeister verlange professionellen Journalismus. Völlig glaubwürdig war das nie. Jetzt stimmt es offenkundig nicht mehr. Zumal auch der vorauseilende Gehorsam in der Redaktion eine Rolle spielen dürfte.

Gianni Infantino (links) und Tamim bin Hamad Al Thani geben sich die Hand.
Legende: Durch die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft 2022 an Katar ist das Emirat international stärker in den Fokus gerückt. AP Photo/Hassan Ammar

Fragen zur Unabhängigkeit von Al Jazeera gab es immer wieder. Kritische Berichte über das kleine, reiche Gas-Emirat fanden sich auf dem Sender nie. Das war nicht schlimm, solange Katar in der internationalen Medienberichterstattung ohnehin kaum vorkam und auf der Weltbühne keine Rolle spielte.

Mit der Austragung der jüngsten Fussball-Weltmeisterschaft und mit Katars Engagement als Vermittler, etwa in Afghanistan, änderte sich das indes. Das Land wurde auf einmal wichtiger. Und in der aktuellen Eskalation im Nahen Osten ist das Gas-Emirat als grosser Unterstützer der Hamas ein ganz zentraler Akteur. Entsprechend steht auch Al Jazeera im Rampenlicht – und macht da keine besonders gute Figur.

HeuteMorgen, 25.10.2023, 06:00 Uhr

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