Über 100 Staats- und Regierungschefs haben am Klimagipfel in Glasgow eine Erklärung unterzeichnet: Sie wollen die Abholzung der Wälder bis ins Jahr 2030 stoppen.
Kann die Erklärung von Glasgow tatsächlich die Wälder retten? Aus politischer Sicht könnte man von einem «Paukenschlag» sprechen, sagt Wissenschaftsredaktor Thomas Häusler, der für SRF an den Klimagipfel in Glasgow gereist ist. «Das ist eine grosse Kiste.» Allerdings relativiert er auch: «Die Erfahrung zeigt, dass solche Vereinbarungen nicht zwingend eingehalten werden. Der Schritt ist zwar vielversprechend, aber ich bin da noch skeptisch.»
Wie wollen die Staaten das anstellen? Rund 12 Milliarden US-Dollar werfen die rund 100 Länder, die etwa 85 Prozent der globalen Wälder repräsentieren, für die Umsetzung auf. Dazu kommen ca. 7 Milliarden von Stiftungen. Laut der gemeinsamen Erklärung sollen damit Massnahmen in Entwicklungsländern unterstützt werden. So will man etwa in die Wiederherstellung zerstörter Landflächen, in die Bekämpfung von Waldbränden und in die Förderung der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften investieren.
Wie könnte das vor Ort konkret aussehen? Korrespondent Thomas Häusler nennt als Beispiel Brasilien: «Dort gibt es Gesetzeslücken, wenn es um den Schutz des Regenwaldes geht. Man müsste also zuerst einmal den entsprechenden Rechtsrahmen schaffen oder zumindest dafür sorgen, dass die Gesetze nicht weiter gelockert würden, wie das Präsident Jair Bolsonaro zuletzt getan hat.» Die Einhaltung müsse dann von den Behörden kontrolliert werden können. «Dazu braucht die Polizei beispielsweise Benzin, damit sie in jene abgelegenen Gebiete kommt, in denen Wald abgeholzt wird.» Weiter bräuchten die Menschen alternative Einkommensquellen. Und man müsse Programme fördern, die nachhaltige Produktion unterstützten. «Auch das kostet Geld.»
Neben Brasilien haben auch Indonesien, die USA und Russland die Erklärung unterzeichnet. Wie ernst ist es ihnen? «Es wäre nicht das erste Bekenntnis in diese Richtung, das nicht eingehalten wurde», sagt Thomas Häusler, und verweist etwa auf die New York Declaration on Forests. Gerade Brasilien habe unter Bolsonaro bislang das Gegenteil gemacht von dem, was in der Erklärung steht, und die Entwaldung noch gefördert. «Natürlich kann sich jeder verbessern», sagt Häusler. Mit Sicherheit entstehe aber ein gewisser Druck auf die Staaten.
Angenommen, die Erklärung wird tatsächlich umgesetzt. Was würde das für die Umwelt bedeuten? «Dann wäre das einer der grössten und wichtigsten Entscheide für die Umwelt der letzten Jahre», sagt Christian Körner, Experte für Botanik und Biodiversität an der Universität Basel. Man dürfe den Wald dabei nicht auf seinen Kohlenstoffvorrat reduzieren: «Es ist ein unglaublich reicher Lebensraum, der zerstört wird.»
Der Beschluss von Glasgow könnte laut Körner bewirken, dass der Raubbau gestoppt und auf nachhaltige Forstwirtschaft umgesattelt wird. Das koste aber viel Geld und Zeit und es sei mit grossem Widerstand zu rechnen. «Da hängen ganze Wertschöpfungsketten und Industrien dran.» Wichtig sei, dass man verstanden habe, dass das Aufforsten allein das Problem nicht löst, sondern man mit dem Ausräumen grosser Kohlenstoffvorräte in den letzten grossen Naturwäldern aufhören soll.
Worin liegen aus umwelttechnischer Sicht die Probleme der Erklärung? Laut Biodiversitäts-Experte Christian Körner besteht die Gefahr, dass man jetzt auf politischer Ebene das Gefühl haben könnte, das Problem sei gelöst. «Dabei wird übersehen, dass 90 Prozent der Emission aus fossilen Brennstoffen kommt und man diese niemals mit grünen Methoden wieder einfangen kann. Es darf nicht passieren, dass jetzt der Druck aus jenen Massnahmen genommen wird, die das Problem eigentlich lösen könnten: Nämlich die Reduktion des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen.»