Israel plant gegen die Terroristen der Hamas im Gazastreifen eine Bodenoffensive. Stellt sich die Frage, wie das Militär auf einen solchen Einsatz vorbereitet ist. Militärexperte Fabian Hinz weiss, was die Schwierigkeiten eines geplanten Häuserkampfes sind.
SRF News: Ist die israelische Armee für eine Grossoperation am Boden in einem eng bebauten Gebiet bereit?
Fabian Hinz: Sie ist gleichzeitig bereit und nicht bereit dafür. Die Armee hat in der Vergangenheit intensiv trainiert, urbane Kriegsführung durchzuführen, hat viele Ressourcen hineingesteckt. Gleichzeitig bleibt urbane Kriegsführung stets kompliziert.
Die Soldaten müssen sich ständig fragen: Ist das nun ein Zivilist oder ein Kämpfer?
Was macht das Ganze so kompliziert?
Im Grunde genommen agieren sie in mehr als zwei Dimensionen. Sie befinden sich auf dem Boden; gleichzeitig haben sie mehrstöckige Gebäude, von welchen sie von oben beschossen werden können. Leute könnten aus Tunneln herauskommen. Gegner können sich im Geheimen in Tunneln oder in Gebäuden bewegen und plötzlich in ihrem Rücken auftauchen. Solche Geschichten machen das Ganze äusserst schwierig. Dazu kommt, dass Gebäude gut zu verteidigen sind, gerade wenn man sie, wie die Hamas es wahrscheinlich getan hat, zum Teil als Festungen ausgebaut hat, mit Tunnelsystemen verknüpft.
Was erwartet die Soldaten bei einem allfälligen Einsatz in Gaza-Stadt?
Es erwartet sie eine sehr unklare Situation, wo sie nie genau wissen können, wo der Feind genau steht. Die Soldaten müssen sich ständig fragen: Ist das nun ein Zivilist oder ein Kämpfer? Scharfschützen, Anti-Panzer-Waffen oder sogar Drohnen können aus dem Nichts heraus abgefeuert werden. Zusätzlich sind auch Sprengfallen möglich.
Ist die israelische Armee für einen Häuserkampf ausgerüstet?
Teile der israelischen Armee sind hervorragend dafür ausgerüstet. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Israel eine grosse Zahl von Reservisten eingezogen hat und gemäss Berichten manche davon nicht die Ausrüstung bekommen haben, die sie eigentlich bräuchten. In der Vergangenheit haben wir bei anderen Beispielen gesehen, beispielsweise bei der amerikanischen Armee in Irak, dass man improvisieren und nachrüsten musste. Armeen müssen verschiedenen Bedrohungen begegnen. Die meisten, selbst die wirklich guten Armeen, sind nicht perfekt auf jedes Szenario vorbereitet.
Das Hamas-Arsenal dürfte noch entsprechend gross sein.
Wie sind die Hamas-Kämpfer bewaffnet?
Sie haben nicht die modernste Ausrüstung, aber es ist ausreichend, um den Häuserkampf schwierig zu gestalten. Die Hamas hat sich seit über einem Jahrzehnt auf diesen Fall vorbereitet. Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass der Häuserkampf trainiert wurde und dass man auch die Infrastruktur in Gaza dafür vorbereitet hat und Häuser zu Festungen ausgebaut hat.
Hat die Hamas ihr Arsenal bald aufgebraucht?
Es gibt Schätzungen der Israelis, die man nicht unabhängig bestätigen kann, dass die palästinensischen Fraktionen im Gazastreifen, also die Hamas und der palästinensische Islamische Dschihad und noch ein paar kleinere weitere, vor dem Beginn des Krieges bis zu 30’000 Raketen besessen haben. Die überwiegende Zahl der Raketen wird mittlerweile in Gaza selber hergestellt. Das ist überhaupt erst der Grund, warum man es geschafft hat, so gigantische Arsenale aufzubauen. Rein über Schmuggel wäre das wahrscheinlich nicht gegangen. Das Arsenal dürfte noch entsprechend gross sein.
Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.