Die Nachricht kam wie so oft per Twitter in jenem Dezember 2020. Der damalige US-Präsident Trump informierte die Weltöffentlichkeit, dass Marokko «volle diplomatische Beziehungen» zu Israel aufnehmen werde. Im Gegenzug anerkannten die USA die marokkanische Souveränität über die Westsahara. Die ehemalige spanische Kolonie, wo das Volk der Sahraoui um Selbstbestimmung kämpft, wird grösstenteils von Marokko kontrolliert – entgegen internationalem Recht.
Die Reaktionen auf Trumps Tweet reichten von Empörung und Wut bis zu Erstaunen und Triumph. Für Marokko war es zweifellos ein diplomatischer Erfolg: Erstmals konnte die Monarchie mit den Vereinigten Staaten einen wichtigen internationalen Player im Konflikt um die Westsahara auf seine Seite ziehen. Die Westsahara ist das Anliegen Nummer eins der marokkanischen Aussenpolitik.
Gleichzeitig war die Gegenleistung erträglich: Die Beziehungen zu Israel waren bereits vorher gut, wenn auch nicht so offen. Mit der «offiziellen» Normalisierung durfte Rabat nun auf weitere israelische Investitionen und Innovationen in diversen Bereichen hoffen. Tatsächlich haben Marokko und Israel seit Dezember 2020 über 30 Abkommen und Vereinbarungen unterzeichnet, wie das Middle East Institute in Washington berechnete.
Austausch gut für Marokko
«Es gibt eine ganze Reihe an neuen Wirtschaftsbeziehungen, gerade im Bereich der Landwirtschaft, vor allem auch die Versorgung mit Wasser. Israel hat diesbezüglich sehr fortgeschrittene Technologien. Das Problem Trockenheit gibt es in Marokko auch», sagt Steffen Krüger von der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung in Rabat. Zudem gebe es auch im Bereich Sicherheit, Militär und Rüstung Austausche, von denen Marokko profitiere.
So liefert nach den USA nun auch Israel modernste Waffen und Technologie an Marokko. Wie israelische Medien berichten, geht es um Drohnen und Drohnentechnologie oder um Spionage-Software und um ein Raketenabwehrsystem. Die militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten hat an Bedeutung gewonnen.
Dies zeigen auch die Besuche hochrangiger israelischer Politiker und Militärs im Verlauf der letzten anderthalb Jahre. Aussenminister Lapid war in Marokko, ebenso Verteidigungsminister Gantz. Dieser unterzeichnete im November 2021 ein Sicherheitsabkommen, das unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit der Nachrichtendienste und gemeinsame Trainings vorsehen soll. Es folgten hochrangige israelische Offiziere, die Innenministerin, der israelische Generalstabschef, der Polizeichef.
Ausserdem nahmen israelische Beobachter im Juni erstmals an der Militärübung «African Lion 2022» teil. Geleitet wurde sie von Marokko und den USA.
Schwieriges Verhältnis zum Nachbarn
All dies fordert auch Marokkos Nachbarn und Rivalen heraus: Algerien. Algerien ist Israel seit jeher feindlich gesinnt und unterstützt die saharaouische Bewegung Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Das Verhältnis zwischen Algier und Rabat war schon immer schwierig.
Derzeit ist es auf einem Tiefpunkt. Es herrscht diplomatische Funkstille. Algerien will aufrüsten und seine Verteidigungsausgaben im nächsten Jahr mehr als verdoppeln. Unlängst soll das algerische Militär zudem mit Partner Russland ein gemeinsames Manöver abgehalten haben. Und zwar – kaum zufällig - nahe der Grenze zu Marokko.