Nach tagelanger Beobachtung hat die US-Luftwaffe am Samstag den chinesischen Überwachungsballon vor der Atlantikküste beim Bundesstaat South Carolina mit einer Rakete zum Absturz gebracht. Welchen Einfluss hat die Affäre auf die amerikanisch-chinesische Beziehung? Eine Einordnung mit der USA-Korrespondentin von SRF.
SRF News: Was sind die gesicherten Fakten zum abgeschossenen Ballon?
Barbara Colpi: Offiziell liegt nicht viel vor. Zuerst werden jetzt einmal die Trümmerteile von Spezialeinheiten eingesammelt. Das ist offenbar verhältnismässig einfach, weil der Atlantik bei der Absturzstelle nicht sehr tief ist. Diese Teile werden in ein FBI-Labor gebracht und ausgewertet.
Die Trümmerteile werden in ein FBI-Labor gebracht und ausgewertet.
Die USA erhoffen sich nähere Informationen über die Mission. Der Ballon war unter anderem im Bundesstaat Montana nahe einer US-Luftwaffenbasis gesichtet worden. Es ist davon auszugehen, dass die USA bereits gewisse Informationen sammeln konnten, als der Ballon noch in der Luft war und so auch zum Schluss kamen, dass es sich um einen chinesischen Spionageballon handelt.
Weshalb hat der Fall des Ballons für so viel Aufregung gesorgt?
Der Ballon beherrschte während Tagen die ganze Berichterstattung und war in der öffentlichen Wahrnehmung omnipräsent. Das Flugobjekt war – im Gegensatz zu anderen Gefahren wie etwa Hackerangriffen – sicht- und fassbar. Und das machte manchen Leuten auch Angst. So grosse Angst, dass Politiker und Sheriffs die Bevölkerung gar warnen mussten, nicht auf die Idee zu kommen, mit eigenen Waffen in den Himmel zu schiessen.
Was hat der Vorfall in der US-Politik ausgelöst?
Gewisse Republikaner haben das lange Warten kritisiert und einen sofortigen Abschuss gefordert. Auch Donald Trump hat sich geäussert und gesagt, er hätte den Ballon längst abgeschossen.
Demokratinnen und Demokraten konterten und sagten, dass während der Präsidentschaft von Trump mehrfach chinesische Ballone im US-Luftraum aufgetaucht seien, ohne dass die Bevölkerung darüber informiert worden sei; und auch ohne, dass diese Luftkörper abgeschossen worden seien. Dies wiederum verneinte Trump gegenüber Fox News.
Bewegte der innenpolitische Druck Joe Biden nach Tagen doch noch, den Befehl zum Abschuss zu geben?
Der Präsident verneint dies und sagt, nicht gezögert zu haben. Er habe bereits letzten Mittwoch das Pentagon angewiesen, den Ballon abzuschiessen, sobald dies möglich sei, ohne Menschenleben zu gefährden.
Gemäss Verteidigungsminister Lloyd Austin wäre es zu gefährlich gewesen, den Ballon über Land abzuschiessen. Dies aufgrund der Grösse des Ballons und der Höhe, auf der er flog, auf rund 18 Kilometern, und dass man deshalb zugewartet habe.
Als wie gravierend wird in den USA nun die diplomatische Verstimmung mit China eingeschätzt?
Letzten Sommer, als die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan besuchte, erreichte die Beziehung zwischen den USA und China einen Tiefpunkt. Im November wurden dann sanftere Töne angeschlagen, als sich die beiden Präsidenten Biden und Xi auf Bali am G20-Gipfel trafen und einen Schritt aufeinander zu machten.
Joe Biden sprach von offenen und ehrlichen Gesprächen und auch, dass der Boden gelegt worden sei für einen weiteren konstruktiven Austausch. Solche Absichten sind inzwischen sicher in weite Ferne gerückt.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.