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Nicaragua weist Geistliche aus
Aus SRF 4 News aktuell vom 15.01.2024. Bild: Reuters/MAYNOR VALENZUELA
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Bischöfe ausgewiesen Warum geht Nicaragua derart radikal gegen Geistliche vor?

Das Regime von Nicaraguas autokratischem Präsidenten Daniel Ortega hat einen seiner schärfsten Kritiker, den katholischen Bischof Rolando Álvarez, des Landes verwiesen. Er wurde zusammen mit Bischof Isidro Mora sowie weiteren Geistlichen in den Vatikan abgeschoben. Lateinamerika-Experte Günther Maihold ordnet diese drastische Massnahme ein.

Günther Maihold

Lateinamerika-Experte

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Günther Maihold war Lateinamerika-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Nun ist er in derselben Funktion an der Freien Universität Berlin tätig.

SRF: Wieso weist Nicaragua die Geistlichen aus?

Günther Maihold: Es geht dem Regime vor allem darum, kritische Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen. Viele der Geistlichen haben sich kritisch gegenüber dem Regime geäussert, insbesondere bezüglich der Einschränkung der Ausübung der Religionsfreiheit, aber natürlich auch bezüglich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Es wird mit aller Härte des Gesetzes gegen die Geistlichen vorgegangen. Auch Seminaristen sind betroffen, die sich als kritisch gegenüber dem Regime darstellen könnten und von Funktionären des Regimes als Aufwiegler und Terroristen bezeichnet werden. Hier ist ein Wortschatz im Gebrauch, der eigentlich eher bei Gewalttätern Anwendung findet.

Die Geistlichen – ein Dorn im Auge des Regimes

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Legende: Die kritische Haltung von Bischof Rolando Álvarez war dem Regime nicht genehm. (Bild vom 20.05.2022) Reuters/MAYNOR VALENZUELA

Die Regierung von Präsident und Ex-Guerillero Daniel Ortega geht seit Jahren immer härter gegen die Opposition vor. Vor allem die Kritiker aus den Reihen der katholischen Kirche sind Präsident Ortega ein Dorn im Auge. Er wirft katholischen Einrichtungen und leitenden Mitgliedern der Kirche vor, seine Regierung zu untergraben.

Der Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, ist der prominenteste Ortega-Kritiker in Nicaragua. Er wurde nach der Leitung von Massenversammlungen verhaftet. Da er sich weigerte, in die USA ausgewiesen zu werden, wurde er Anfang 2023 wegen Ungehorsams, Untergrabung der nationalen Integrität und weiterer Delikte zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Zudem wurde ihm die nicaraguanische Staatsbürgerschaft entzogen.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde ein zweiter Bischof verhaftet, Isidro Mora von der Diözese Triangulo Minero. Dies, weil er für den inhaftierten Bischof Álvarez gebetet hatte.

Ortega selbst hängt einer Ideologie aus sozialistischen, christlichen und esoterischen Komponenten an. Der katholische Jesuitenorden, das Hilfswerk Caritas und christliche Radiosender wurden geschlossen und ihr Vermögen eingezogen.

Warum blieben die Geistlichen nicht einfach in Haft?

Das Regime will wohl vor allem aus den Schlagzeilen kommen. Die katholische Kirche hat ja doch grosse Möglichkeiten, weltweit diesen Missstand anzuklagen und auf die Freilassung ihrer Mitarbeiter zu drängen. Und das ist diesem Regime, das sich versucht, immer mehr abzukapseln, das versucht, quasi Friedhofsstille in den öffentlichen Räumen herzustellen, unangenehm. Da ist man offensichtlich sehr gerne auf das Interesse des Vatikans eingegangen, die Verhafteten freizulassen.

Welches Signal will das Regime gegenüber kritischen Stimmen aussenden?

Es ist ganz sicherlich ein Signal der Einschüchterung gegenüber der Bevölkerung, aber natürlich auch gegenüber Meinungsträgern.

Hier wird versucht, für einen Familienclan ein politisches Ambiente herzustellen, wo man sich nicht mehr gefährdet fühlt, wo man seine Geschäfte ohne Beobachtung der Öffentlichkeit abwickeln kann.

Das gilt genauso für Intellektuelle oder Journalisten, die sich kritisch äussern. Hier wird versucht, für einen Familienclan ein politisches Ambiente herzustellen, wo man sich nicht mehr gefährdet fühlt, wo man seine Geschäfte ohne Beobachtung der Öffentlichkeit abwickeln kann. Es wird mit einer radikalen Art und Weise gegen jegliche abweichende Meinung vorgegangen. Offensichtlich sieht sich das Regime immer stärker gefährdet.

Was sagen diese neuen Vorfälle über die Stärke der Regierung aus?

International ist zu erkennen, dass sich das Land immer stärker in eine Isolation bringt und sich nur durch die Unterstützung befreundeter Regime wie Venezuela, Kuba oder Russland behaupten kann. Im Internen ist es weniger klar. Aber wir sehen doch immer mehr Zeichen, dass man sich einigelt und versucht, der Debatte aus dem Weg zu gehen. Darum geht man rigoros gegen alle Organisationen vor, um sozusagen als einziger Akteur des Landes wahrgenommen zu werden und alles unter Kontrolle halten zu können. Es sind ja mehr als 3800 NGOs für illegal erklärt worden.

Man muss davon ausgehen, dass die Verfolgung sich weiter fortsetzt – nicht nur gegenüber der Kirche, auch gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräften.

Hat die Regierung mit der Ausweisung der Geistlichen ihre Ziele im Konflikt mit der katholischen Kirche erreicht?

Ich bin mir nicht sicher. Das ist eine Skala, die immer noch nach oben offen ist. Man muss davon ausgehen, dass die Verfolgung sich weiter fortsetzt – nicht nur gegenüber der Kirche, auch gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräften. Die Abkapselung des Landes wird vermutlich zunehmen.

Das Gespräch führte Yves Kilchör.

SRF 4 News, 15.1.2024, 16:40 Uhr ; 

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