Das Regime von Nicaraguas autokratischem Präsidenten Daniel Ortega hat einen seiner schärfsten Kritiker, den katholischen Bischof Rolando Álvarez, des Landes verwiesen. Er wurde zusammen mit Bischof Isidro Mora sowie weiteren Geistlichen in den Vatikan abgeschoben. Lateinamerika-Experte Günther Maihold ordnet diese drastische Massnahme ein.
SRF: Wieso weist Nicaragua die Geistlichen aus?
Günther Maihold: Es geht dem Regime vor allem darum, kritische Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen. Viele der Geistlichen haben sich kritisch gegenüber dem Regime geäussert, insbesondere bezüglich der Einschränkung der Ausübung der Religionsfreiheit, aber natürlich auch bezüglich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Es wird mit aller Härte des Gesetzes gegen die Geistlichen vorgegangen. Auch Seminaristen sind betroffen, die sich als kritisch gegenüber dem Regime darstellen könnten und von Funktionären des Regimes als Aufwiegler und Terroristen bezeichnet werden. Hier ist ein Wortschatz im Gebrauch, der eigentlich eher bei Gewalttätern Anwendung findet.
Warum blieben die Geistlichen nicht einfach in Haft?
Das Regime will wohl vor allem aus den Schlagzeilen kommen. Die katholische Kirche hat ja doch grosse Möglichkeiten, weltweit diesen Missstand anzuklagen und auf die Freilassung ihrer Mitarbeiter zu drängen. Und das ist diesem Regime, das sich versucht, immer mehr abzukapseln, das versucht, quasi Friedhofsstille in den öffentlichen Räumen herzustellen, unangenehm. Da ist man offensichtlich sehr gerne auf das Interesse des Vatikans eingegangen, die Verhafteten freizulassen.
Welches Signal will das Regime gegenüber kritischen Stimmen aussenden?
Es ist ganz sicherlich ein Signal der Einschüchterung gegenüber der Bevölkerung, aber natürlich auch gegenüber Meinungsträgern.
Hier wird versucht, für einen Familienclan ein politisches Ambiente herzustellen, wo man sich nicht mehr gefährdet fühlt, wo man seine Geschäfte ohne Beobachtung der Öffentlichkeit abwickeln kann.
Das gilt genauso für Intellektuelle oder Journalisten, die sich kritisch äussern. Hier wird versucht, für einen Familienclan ein politisches Ambiente herzustellen, wo man sich nicht mehr gefährdet fühlt, wo man seine Geschäfte ohne Beobachtung der Öffentlichkeit abwickeln kann. Es wird mit einer radikalen Art und Weise gegen jegliche abweichende Meinung vorgegangen. Offensichtlich sieht sich das Regime immer stärker gefährdet.
Was sagen diese neuen Vorfälle über die Stärke der Regierung aus?
International ist zu erkennen, dass sich das Land immer stärker in eine Isolation bringt und sich nur durch die Unterstützung befreundeter Regime wie Venezuela, Kuba oder Russland behaupten kann. Im Internen ist es weniger klar. Aber wir sehen doch immer mehr Zeichen, dass man sich einigelt und versucht, der Debatte aus dem Weg zu gehen. Darum geht man rigoros gegen alle Organisationen vor, um sozusagen als einziger Akteur des Landes wahrgenommen zu werden und alles unter Kontrolle halten zu können. Es sind ja mehr als 3800 NGOs für illegal erklärt worden.
Man muss davon ausgehen, dass die Verfolgung sich weiter fortsetzt – nicht nur gegenüber der Kirche, auch gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräften.
Hat die Regierung mit der Ausweisung der Geistlichen ihre Ziele im Konflikt mit der katholischen Kirche erreicht?
Ich bin mir nicht sicher. Das ist eine Skala, die immer noch nach oben offen ist. Man muss davon ausgehen, dass die Verfolgung sich weiter fortsetzt – nicht nur gegenüber der Kirche, auch gegenüber anderen gesellschaftlichen Kräften. Die Abkapselung des Landes wird vermutlich zunehmen.
Das Gespräch führte Yves Kilchör.