- Der frühere Erzbischof Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger und Veteran des südafrikanischen Kampfes gegen die weisse Minderheit in Südafrika, ist tot.
- Er ist im Alter von 90 Jahren nach langer Krankheit gestorben.
- «Der Tod Tutus ist ein weiteres Kapitel der Trauer in der Verabschiedung unserer Nation von einer Generation von herausragenden Südafrikanern, die uns ein befreites Südafrika hinterlassen haben», sagte Präsident Cyril Ramaphosa.
Desmond Tutu war einer der Gründerväter des demokratischen Südafrikas. Als ein Anführer des gewaltlosen Widerstandes gegen die Apartheid bekämpfte er entschlossen Rassendiskriminierung und Ungerechtigkeit. Unbeugsam warb Tutu auch nach Überwindung des Apartheidregimes 1994 mit klaren Worten für Frieden und Versöhnung.
Für eine moralisch-ethische Orientierung im neuen Südafrika mangelte es Tutu ebenso wenig an Charisma und Autorität wie seinem Freund Nelson Mandela, Friedensnobelpreisträger und erster schwarzer Präsident des Landes. Tutu brauchte aber kein politisches Amt, um gehört zu werden.
Zu Apartheidzeiten verdammte er die systematische Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit als unmoralisch und unvereinbar mit Gottes Wort. Im demokratischen Südafrika wurde er dann ein Verfechter für die Aussöhnung zwischen Schwarzen und Weissen: «Ohne Vergebung kann es keine Zukunft geben.»
Ohne Vergebung kann es keine Zukunft geben.
Auf Bitten Mandelas übernahm er 1996 den Vorsitz der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die die Verbrechen der Apartheidzeit aufarbeite und dabei Tutus Motto «Vergeben, aber nicht vergessen!» folgte. Millionen sahen am TV-Schirm Tutu in Tränen, als vor dem Gremium Apartheidopfer von ihren Leiden berichteten.
Mehr als 20'000 Opfer, deren Angehörige und sonstige Zeugen sagten vor der Kommission aus, 3500 früheren Tätern wurde Verzicht auf Strafverfolgung gewährt.
Vision einer «Regenbogennation»
Viele seiner schwarzen Mitbürger, vor allem die Familien der Opfer, fanden dies zu nachsichtig. So wurde zum Beispiel Mördern vergeben, solange sie zum öffentlichen Bekenntnis bereit waren.
Doch Tutu war zutiefst überzeugt, dass eine Abrechnung seinem Land nur schaden könnte. Vergebung habe weniger mit christlichen Grundsätzen als mit Realpolitik zu tun, sagte er einmal. Tutu kämpfte für die Vision einer «Regenbogennation», in der Menschen aller Hautfarben und Ethnien friedlich zusammenleben.
Politisch äusserte sich Tutu nur noch selten, doch dann deutlich. Seine Kritik an der Regierung des damaligen Präsidenten Jacob Zuma stoppte nicht.
Als dem Dalai Lama 2014 offenbar auf Druck aus China ein Visum für einen Südafrika-Besuch verweigert wurde, zürnte er: «Ich schäme mich, diesen speichelleckerischen Haufen als meine Regierung zu bezeichnen.» Mit dem ihm eigenen Humor meinte er im Januar 1997, als bei ihm Prostatakrebs festgestellt wurde: «Es hätte schlimmer kommen können: Ich hätte mein Gedächtnis verlieren können!»
Lange Krankheit
Gesundheitlich erholte er sich wieder, obwohl er ab 2015 mehrfach ins Krankenhaus musste. Als er sich 2016 in einer Videobotschaft an den Welt-Aids-Kongress wandte, schien er mager, aber ungebrochen scharfen Verstandes. Bereits deutlich gebrechlich präsentierte er sich im September 2019 noch einmal in der Öffentlichkeit, als ihm der britische Prinz Harry in Kapstadt seine Familie vorstellte und er dem kleinen Sohn Archie einen Kuss auf die Stirn hauchte.
Tutu hinterlässt seine Frau Leah, einen Sohn und drei Töchter. Seine letzten 24 Stunden würde er gerne mit seiner Familie verbringen, hatte er 2014 dem Magazin «Cicero» gesagt – und mit etwas Augenzwinkern hinzugefügt: «Ich werde ihnen sagen, dass sie auf sich aufpassen und füreinander sorgen sollen – besonders für ihre Mutter; andernfalls werde ich zurückkehren und sie heimsuchen!»