Ein 43-jähriger Deutscher erschiesst in zwei Shisha-Bars in Hanau bei Frankfurt neun Menschen und verletzt sechs weitere, scheinbar wahllos – weil sie wahrscheinlich nicht seiner Vorstellung einer deutschen «Herrenrasse» entsprechen. Hinter der Tat stehe eine «zutiefst rassistische Gesinnung», erklärte der Generalbundesanwalt.
Mindestens 13 Menschen sind in den letzten neun Monaten in Deutschland von rassistischen Tätern ermordet worden; in Hanau, Kassel, Halle. Hätte dort in der Synagoge nicht ein privater Spender für eine schusssichere Türe gesorgt und damit ein geplantes Massaker verhindert, wären es weit mehr gewesen.
Die Kadenz, mit der in Deutschland rassistische und faschistisch motivierte Gewalttaten geschehen, ist hoch und mit jedem Ereignis steigt auch die (politische) Betroffenheit. Unmittelbar nach dem jüngsten in Hanau reisten Innenminister Seehofer, Justizministerin Lambrecht und Bundespräsident Steinmeier an.
Es gärt in Deutschland
Diese deutlichen Zeichen sind notwendig, denn für Beschwichtigungen ist es zu spät. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich nicht um zufällige Einzeltaten im luftleeren Raum handelt, sondern die Gewaltakte in einem gesellschaftlichen Kontext stehen.
Hass und Hetze im Internet sind so verbreitet wie nie zuvor, und: Faschisten wie Björn Höcke vom völkischen Flügel der AfD bestimmen den politischen Diskurs mit. Immer häufiger werden Gedenkstätten der Naziverbrechen Schauplatz für rechte Provokationen. Angriffe auf Juden nehmen zu und nicht wenige in der AfD träumen davon, alle Ausländer loszuwerden. Es gärt in Deutschland.
Dazu passt, dass die Behörden nur wenige Tage vor der Tat in Hanau ein rechtes Terrornetzwerk ausgehoben haben, das Anschläge auf Moscheen und Politiker plante, um Gegenwehr und bürgerkriegsähnliche Zustände zu provozieren. Seit letztem Herbst stehen in Dresden acht Männer wegen ähnlicher Pläne vor Gericht.
Die Fronten sind verhärtet
Fast zeitgleich mit den Festnahmen vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung ein neues Gesetz beschlossen, welches Hetze im Internet oder antisemitische Straftaten schärfer ahndet. Die «Verrohung der Sprache» stelle den politischen Diskurs in der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung infrage, so die Begründung der Regierung.
Auch die zivilgesellschaftliche Gegenwehr wächst. In Hanau selbst, aber auch in Frankfurt und Berlin, gehen die Menschen heute auf die Strasse, um gegen Rassismus und Gewalt zu demonstrieren. Und die sozialen Medien sind voll mit Beileids- und Solidaritätsbekundungen.
Doch bisher hat die zunehmende gesellschaftliche Ächtung rechten Gedankengutes wenig bewirkt – die Fronten sind verhärtet. Und die Mittel einer freiheitlichen Demokratie gegen (rechten) Terror sind begrenzt. Sie bleibt ein leichtes Ziel für jene, die es auf sie abgesehen haben.
Tagesschau, 20.2.2020, 12:45 Uhr, hosb