Nach tagelangen wütenden Protesten gegen Korruption und Misswirtschaft im Irak hat die Regierung die Forderungen der Demonstranten als «berechtigt» anerkannt. Die Regierung sei um eine Lösung bemüht, doch gebe es «keine Zauberformel», um alle Probleme zu lösen, sagte Regierungschef Adel Abdel Mahdi im Staatsfernsehen.
Geld für mittellose Familien
Zugleich kündigte er an, dass benachteiligten Familien geholfen werden solle. «Wir werden jeder irakischen Familie, die kein monatliches Gehalt hat, Gehälter geben, um Gerechtigkeit zu erreichen», sagte er. Er forderte die Demonstranten gleichzeitig auf, friedliche Proteste nicht ins Chaos abgleiten zu lassen.
Seit Beginn der Proteste am Dienstag ist die Polizei mehrfach mit Gewalt gegen Demonstranten vorgegangen. Dabei kamen 46 Menschen ums Leben, fast 1500 wurden verletzt, wie die Hohe Menschenrechtskommission mitteilte.
Allein 18 Menschen seien in Nassirija im Süden des Landes ums Leben gekommen, verlautete am Freitag aus Polizei- und Klinikkreisen. 16 Menschen seien in der Hauptstadt Bagdad getötet worden.
Zornige junge Männer
Angeführt werden die Demonstrationen vor allem von jungen Männern. Sie blockierten in der Hauptstadt Bagdad Strassen und zündeten Autoreifen an. In mehreren Provinzen stürmten sie Gebäude und legten Feuer. Sicherheitskräfte versuchten mit Tränengas und Schüssen in die Luft, die Proteste aufzulösen. Teilweise kam es zu Zusammenstössen.
Ministerpräsident Mahdi verhängte am Mittwochabend eine Ausgangssperre in mehreren Städten des Landes, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Die Lage in der Hauptstadt war am Donnerstag weitgehend ruhig, Proteste wurden aus anderen Städten gemeldet.
Zu wenig Strom im Erdölland Irak
Die Proteste richten sich gegen die weit verbreitete Korruption, die schlechte Wirtschaftslage und den politischen Stillstand. Viele Menschen im Irak klagen über die vernachlässigte Infrastruktur sowie über die Arbeitslosigkeit.
So gehört Irak zu den ölreichsten Ländern der Welt, leidet aber unter anderem unter einem akuten Energiemangel. Vor allem in den heissen Sommermonaten mit Temperaturen bis zu 50 Grad fällt regelmässig der Strom aus.
Das Land kommt seit Jahren nicht zur Ruhe. 2014 überrannte die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) grosse Teile des Landes und errichtete dort eine brutale Herrschaft. Mittlerweile sind die Extremisten militärisch besiegt, Zellen bleiben aber aktiv. Nach dem langen Kampf gegen den IS sind vor allem im Norden und Westen des Iraks viele Städte zerstört. Der Aufbau geht nur langsam voran.
Kritiker werfen den führenden Politikern seit Jahren vor, sie nutzten ihre Positionen vor allem dazu, sich ihre eigenen Taschen und die ihrer Klientel zu füllen. Im Anti-Korruption-Index der Organisation Transparency International steht der Irak auf Platz 168 von 180 Ländern.