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Bombenanschlag auf Kirillow «Der Anschlag in Moskau zeigt, dass die Russen verwundbar sind»

Diese Woche wurde am frühen Morgen mitten in einem Moskauer Wohnquartier der hochrangige russische General Igor Kirillow getötet. Hinter dem Anschlag steckt vermutlich der ukrainische Geheimdienst. Wie ist so ein Anschlag möglich? Und wie sind die ukrainischen Geheimdienste aufgestellt? Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom gibt Auskunft.

Erich Schmidt-Eenboom

Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik (De)

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Erich Schmidt-Eenboom ist Experte für Geheimdienste. Er forscht dazu und hat mehrere Bücher zum Thema publiziert, unter anderem über den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND).

SRF News: Steht für Sie ausser Frage, dass der ukrainische Geheimdienst hinter diesem Anschlag steckt?

Erich Schmidt-Eenboom: Es ist wohl eindeutig, dass der ukrainische SBU dafür die Hauptverantwortung trägt. Den russischen Behörden ist es nun gelungen, einen einzelnen Usbeken zu verhaften, der wohl auch in Teilen geständig ist. Aber ich gehe angesichts der Umstände des Anschlages davon aus, dass es sich nicht um einen Einzeltäter handelt.

Natürlich ist nun eine grosse Sorge der russischen Nachrichtendienste, dass es dem ukrainischen Nachrichtendienst gelingt, in Moskau Ausspähaktionen vorzunehmen.

Dem Anschlag muss eine Ausspähaktion in Moskau vorausgegangen sein. Da hat man die Lebensgewohnheiten dieses Generals beobachtet, seinen Wohnsitz ermittelt und festgestellt, dass er wirklich jeden Morgen um punkt 6 Uhr aus dem Haus tritt. Natürlich ist nun eine grosse Sorge der russischen Nachrichtendienste, dass es dem ukrainischen Nachrichtendienst gelingt, in Moskau solche Ausspähaktionen vorzunehmen.

Polizei und Feuerwehr bei beschädigtem Gebäude im Schnee.
Legende: Der Anschlag in Moskau wurde auch gefilmt. REUTERS/Maxim Shemetov

Wie ist es möglich, dass die Ukraine Leute in Russland findet, die bereit sind, Spähaktionen zu machen und eine Bombe zu legen?

Offensichtlich hat man den gefassten Attentäter nicht in der Russischen Föderation rekrutiert, sondern in Usbekistan. Usbekistan ist ein enger Verbündeter der Russischen Föderation. Es ist ein sehr repressives Regime in Verbindung mit den russischen Nachrichtendiensten. So ist es möglich, gerade in Usbekistan Dissidenten zu finden, die gegen sehr hohe Belohnung solche Attentate verüben.

Man muss davon ausgehen, dass der ukrainische Nachrichtendienst einer der professionellsten Nachrichtendienste in Europa ist.

Gewisse Medien schreiben, ukrainische Geheimdienstagenten könnten in Russland relativ ungestört agieren und würden sogar von internem Widerstand unterstützt. Was ist da dran?

Die ukrainischen Nachrichtendienste verfügen nach eigenen Angaben über eine Vielzahl von Quellen in der Russischen Föderation. Wenn man sich die Gefechtsverläufe anschaut, dann halte ich das für durchaus plausibel. Man muss davon ausgehen, dass der ukrainische Nachrichtendienst einer der professionellsten Nachrichtendienste in Europa ist. Das resultiert daraus, dass der Dienst sehr kampferfahren ist wegen des jahrelangen Bürgerkrieges im Donbass. Diese Professionalität ist ab 2014 noch einmal nachhaltig gewachsen. Da hat nämlich der wohl weltbeste Special Service, also der britische SAS, die Ausbildung der ukrainischen Kommandoeinheiten übernommen. Und gerade von den Briten wissen wir, dass es eine Vielzahl von nachrichtendienstlichen Zwischenpositionen in der Tiefe Russlands bis hin nach Tschetschenien gibt.

Putin verfügt über ein ausgeprägtes Personenschutzkommando.

Welche Botschaft sendet der ukrainische Geheimdienst aus?

Er sendet zunächst die Botschaft aus, dass die Kriegsverbrechen nicht ungestraft bleiben dürfen, aber vermittelt natürlich auch den Russen den Eindruck, dass sie im Herzen ihrer Hauptstadt verwundbar sind. Und das ist eine absolute Blamage für die Abwehrdienste der Russischen Föderation. Denn Putin verfügt ja über ein ausgeprägtes Personenschutzkommando, das nicht nur für seine persönliche Sicherheit verantwortlich ist, sondern für die Sicherheit der gesamten Führungsriege aus Militär und Nachrichtendiensten. Dieses hat nachhaltig versagt.

Das Gespräch führte Dominik Rolli.

Krieg in der Ukraine

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SRF 4 News, 19.12,2024, 07:47 Uhr ; 

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