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Boomende Echokammern Grillo, Trump und die Falschnachrichten

Mit der Streuung von Unwahrheiten in sozialen Netzwerken kann nicht nur Macht, sondern auch gut Geld verdient werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr erfundene Nachrichten zirkulieren im Internet.
  • Ein Beispiel aus dem US-Wahlkampf zeigt: Klicks von Falschnachrichten dienen nicht nur dem politischen Machtgewinn, sondern generieren auch schnelles Geld .
  • Das Beispiel von Beppe Grillos Partei in Italien zeigt: Das Internet ermöglicht auch die schnelle Kopie erfolgreicher Falschnachrichten .

USA: Trumps Anhänger als Kundschaft

Während des US-Wahlkampfs erhielten Geschichten auf sozialen Plattformen mehr Aufmerksamkeit als echter Enthüllungsjournalismus. Eine Geschichte darüber, dass der Papst Donald Trump unterstützt, wurde öfters geteilt als der Scoop der NY Times darüber, dass Donald Trump keine Steuern bezahlt.

Alles an dieser Geschichte war erfunden: Die Stadt, der Scheriff, der FBI-Agent.
Autor: Justin Coler Falschnachrichten-Fabrikant

In einem Vorort von Los Angeles spürte der Radiosender National Public Radio einen Fabrikanten von Falschnews auf. Er heisst Justin Coler und betreibt mehrere Webseiten, die erfundene Nachrichten für rechtskonservative Leserinnen und Leser veröffentlichen. Zum Beispiel die Geschichte über einen FBI-Agenten, der wegen der Veröffentlichung von Emails von Hillary Clinton ermordet worden sei. Coler erklärt.

«Alles an dieser Geschichte war erfunden: Die Stadt, der Scheriff, der FBI-Agent. Unsere Leute haben sie auf Foren von Trump-Unterstützern gepostet und sie hat sich in Windeseile verbreitet», so Coler. Mehr als eine halbe Million Mal wurde sie weitergeleitet. Das generiert Werbeeinnahmen. Coler wollte nicht verraten, wie viel er genau verdient, bestätigte aber Angaben von anderen, die behaupten, mit Falschmeldungen zwischen 10'000 und 30'000 Dollar pro Monat einzunehmen. Richtig angezogen habe das Geschäft mit den US-Präsidentschaftswahlen.

Zahlreiche Werbefirmen als Alternative zu Google

«Jeder mit einem Blog kann eine riesige Facebook-Gruppe mit begeisterten Trump-Anhängern finden, die sich auf solche Inhalte wie auf rotes Fleisch stürzen und sie weiterverteilen», erklärt Coler weiter. Er habe auch versucht, falsche Nachrichten auf linken Foren zu verbreiten, das habe aber nie richtig funktioniert.

Google hat reagiert und für Webseiten, die erfundene Nachrichten verbreiten, eine Werbesperre verhängt, auch jene von Coler sind betroffen. Für ihn ist das kein Problem: «Ich habe hunderte von Emails erhalten von Werbefirmen, die mit mir direkt zusammenarbeiten wollen, weil sie wissen, dass Google den Riegel schiebt.»

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wiegelte zunächst ab, hat aber nun Massnahmen angekündigt, um Falschmeldungen auf der Plattform besser als solche erkennbar zu machen. Wie genau ist noch offen.

Italien: Grillos Verwendung russischer Quellen

«Die USA finanzieren Flüchtlingsschlepper» – diese Schlagzeile versehen mit einem Fragzeichen ist noch heute auf der Seite der Internetplattform TzeTze zu finden. TzeTze ist, nach eigener Definition, ein unabhängiges Newsportal, das in Tat und Wahrheit aber dem Movimento 5 Stelle und seinem Umfeld zugehört.

Für den Vorwurf, die USA bezahlten Schlepper dafür, Migranten nach Europa zu schleusen, liefert TzeTze keine Beweise. Beim Lesen des Artikels stösst man aber auf einen Link. Der führt auf die Seite von Sputnik, einem russischen Nachrichtenportal.

TzeTze verbreitet öfters Berichte, die auf russischen Quellen beruhen. Zu diesem Schluss kommen zwei Journalisten der Nachrichtenplattform Buzzfeed. Oft kommen diese Meldungen als bewiesene Tatsachen daher. Aber viele dieser vermeintlichen News sind nichts anderes als mehr oder weniger fundierte Meinungen: zum Beispiel jene, dass die USA in Syrien Assad nur darum stürzen wollten, um China den Zugang zum syrischen Öl zu verwehren.

Einseitige, wenig demokratische Kontrolle

Beppe Grillo bestimmt selber und autonom, ob er Chef seiner Bewegung ist. Oder aber er präsentiert ein Direktorium, an das er seine Macht nach Gutdünken weiterdelegiert.

Und auch im Internet geht es wenig demokratisch her und zu: Was das Movimento im Netz veröffentlicht, entschied bis vor kurzem einzig und allein Gianroberto Casaleggio, Grillos engster politischer Vertrauter.

Seit seinem Tod im Frühjahr ist es dessen Sohn Davide. Ein Erbhof also – ein wichtiger: Nicht nur wegen der Propaganda-Seiten wie TzeTze. Denn Grillo lässt oft im Internet über Sachfragen abstimmen. Die entsprechenden Seiten und Programme wurden und werden von den Casaleggios administriert und kontrolliert.

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