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Gespräch mit Holger Schmieding, Ökonom in London
Aus SRF 4 News aktuell vom 13.12.2018.
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Brexit – wie weiter? «Die Nervosität steigt erheblich»

Für die britische Wirtschaft bleibt die Unsicherheit in Sachen Brexit auch nach dem gescheiterten Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May gross. Was das bedeutet, weiss Holger Schmieding. Er ist Chefökonom bei der deutschen Berenberg Bank in London.

Holger Schmieding

Chefökonom der Berenberg Bank

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Schmieding war Chefökonom Europa bei verschiedenen Banken. Seit 2010 arbeitet er für die deutsche Bank Berenberg. Sein Arbeitsort ist London.

SRF News: Theresa May kommt mit einem blauen Auge davon und bleibt Regierungschefin Grossbritanniens. Wie kommt das bei der britischen Wirtschaft an?

Holger Schmieding: Es ist für sich genommen eine kleine, positive Nachricht. Denn es hat sich immerhin gezeigt, dass die Brexit-Hardliner selbst in der konservativen Partei keine Mehrheit haben. An den grundsätzlichen Problemen, was den Brexit betrifft, ändert sich allerdings nichts.

In der britischen Bevölkerung und im Parlament scheint derzeit praktisch nichts mehrheitsfähig.

Haben die britischen Wirtschaftsvertreter noch Vertrauen, dass Theresa May eine Brexit-Lösung liefert, die mehrheitsfähig ist?

Dieses Vertrauen ist tatsächlich sehr angeschlagen, was aber nicht nur an May liegt. Offenbar ist derzeit in der britischen Bevölkerung und auch im Parlament praktisch nichts mehrheitsfähig. Immerhin gibt es die Hoffnung, dass sich unter dem zunehmenden Zeitdruck doch noch eine halbwegs vernünftige Lösung durchsetzen wird. Die Alternative – gar keine Lösung – wäre für alle Beteiligten das schlechteste.

Ein paar nette Worte aus Brüssel könnten helfen, die Stimmung im Unterhaus etwas zu verbessern.

May weibelt derzeit bei der EU-Spitze und versucht bis zur letzten Minute, Änderungen des Brexit-Abkommens zu erreichen. Wie gross ist die Hoffnung der britischen Wirtschaft, dass sie damit etwas bewirken kann?

Man hofft, dass May ein paar nette Worte mit nach Hause nehmen kann, auch wenn diese unverbindlich bleiben. Sie könnten immerhin helfen, die Stimmung im Unterhaus etwas zu verbessern. Die Hoffnung allerdings, dass sich grundsätzlich noch etwas am Austrittsvertrag ändern lässt, ist sehr gering. An der grundsätzlichen Frage, wie man mit dem irischen Problem umgeht, wird sich wohl nichts ändern. Die EU hat in der Substanz des Vertrags keinerlei Zugeständnisse angedeutet.

Zwei Männer mit zwei Plakaten pro und kontra den Brexit.
Legende: Brexit-Befürworter und -Gegner in London: Die Briten sind gespalten, es sei derzeit überhaupt nichts mehr mehrheitsfähig, sagt Schmieding. Reuters

Wie nett müssten die Worte der EU sein, damit sie im britischen Unterhaus tatsächlich etwas bewirken könnten?

Vermutlich wird es darum gehen, Grossbritannien in noch besseren Worten als bisher eine tiefe, echte Zusammenarbeit für die Zukunft anzubieten. Es müsste in Richtung eines Handels gehen, der ohne grosse Hemmnisse auskommt. Darauf hofft die britische Wirtschaft – auch wenn eine solche Zusicherung nicht rechtsverbindlich wäre.

Bis vor kurzem war die Zuversicht recht gross – doch neuerdings steigt die Nervosität erheblich.

Wie stark belasten die zähen Verhandlungen die britische Wirtschaft?

Bis vor kurzem war die Zuversicht recht gross, dass das Ganze irgendwie schon nicht völlig schiefgehen würde. Doch neuerdings wird die Stimmung in der Wirtschaft recht wacklig, die Nervosität steigt erheblich.

Das britische Statistikbüro hat diese Woche Rekord-Beschäftigungszahlen gemeldet, auch eine sehr tiefe Arbeitslosenquote. Das sind doch positive Signale?

Der britischen Wirtschaft geht es alles in allem nicht schlecht. Doch seit der Brexit-Abstimmung Mitte 2016 hat das Wachstum der Wirtschaft insgesamt nachgelassen. Bis vor gut zwei Jahren lag Grossbritannien beim Wirtschaftswachstum oftmals an der Spitze der westlichen Industrieländer, jetzt ist es ins untere Mittelfeld zurückgefallen.

Die Zuwanderung nach Grossbritannien hat abgenommen.

Es gibt also Brexit-Spuren, die sich zum Glück am Arbeitsmarkt aber noch nicht zeigen. Das hat auch damit zu tun, dass die Zuwanderung nach Grossbritannien abgenommen hat. So gibt es wegen des gedämpften Wachstums zwar eine geringere Nachfrage nach zusätzlichen Arbeitskräften, doch auch das Arbeitskräfte-Angebot hat abgenommen. Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit deshalb immer noch sehr niedrig.

Die britische Wirtschaft will so rasch wie möglich Klarheit im Verhältnis mit der EU. Spielt es eine Rolle, wie die Lösung genau aussieht?

Für die kurzfristigen Aussichten ist es tatsächlich zweitrangig, wie genau die Lösung aussieht – hauptsächlich, es gibt eine einvernehmliche Lösung. Ob Grossbritannien allerdings langfristig ein guter Produktionsstandort bleibt, hängt davon ab, wie die Lösung in den Details aussieht.

Das Gespräch führte Jonathan Fisch.

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