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Schweden bereitet seine Bevölkerung auf Ernstfall vor
Aus SRF 4 News vom 18.11.2024. Bild: Keystone
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Broschüren für den Kriegsfall Schweden bereitet seine Bevölkerung auf Ernstfall vor

Die schwedische Regierung verteilt eine Infobroschüre für den Fall von Krisen und Krieg. Was bringt ein solches Papier?

Um was geht es? Auf Dutzenden Seiten erfahren die Menschen in Schweden in der Broschüre, wie sie sich im Ernstfall zu verhalten haben. Daneben gibt es viele Hinweise, wie zum Beispiel die Bevölkerung gewarnt wird, wie SRF-Skandinavienkorrespondent Bruno Kaufmann erklärt. «Informiert wird im Krisenfall aber auch, was jede und jeder tun kann, um sich vorzubereiten, sprich zum Beispiel Lebensmittellager und Wasservorsorge anzureichern.» Und dann gibt es auch Informationen, die kritisiert werden.

Person hält gelbes Heft mit Titel 'Om krisen eller kriget kommer' vor blauem Hintergrund mit schwedischen Flaggen.
Legende: «Falls Krisen oder Krieg kommen»: So der Titel einer Infobroschüre, die die schwedische Regierung seit gestern an Millionen Haushalte im Land verteilt. Keystone/CLAUDIO BRESCIANI

In der Broschüre wird zum Beispiel auch die Möglichkeit eines Angriffes mit Kernwaffeneinsatz erwähnt. Hier rät die Broschüre, dass man sich schützen kann, indem man in einen Schutzraum geht und nach zwei, drei Tagen dann die Gefahr nicht mehr so gross ist. Das wird natürlich von vielen als verharmlosend gesehen.

Stockholm nutzt den Moment

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Solche Broschüren sind in Schweden eine lange Tradition. Die öffentliche Hand kommuniziert gegenüber der Bevölkerung auf diese Art und Weise. «Das ist eine Mischung aus fürsorglichem, paternalistischen Staat einerseits, aber andererseits auch die Aufforderung und die Einladung an die Bürgerinnen und Bürger, verantwortungsbewusst zu sein und Verantwortung zu übernehmen,» sagt Kaufmann. Das habe man während der Pandemie sehr klar gesehen, als es viel weniger Zwangsmassnahmen gab als in anderen Ländern und die Einwohnerinnen und Einwohner aufgerufen wurden, Verantwortung zu übernehmen.  

«Gleichzeitig kann man aber auch sehen, dass die jetzige Regierung den Moment nutzt, um diese psychologische Herausforderung in Schweden anzunehmen. Es gibt hier keine Generation mehr, die einen Krieg erlebt hat. Deshalb muss auch dieses Wissen, diese Kompetenz, wie mit Krieg umzugehen ist, neu aufgebaut werden.»

Was ist neu? Die Broschüre ist immer wieder publiziert worden. Aber im Vergleich zur letzten Broschüre von 2018 hat es einen Wechsel gegeben, wie Kaufmann weiss: Das Paper ist doppelt so dick, 30 statt 15 Seiten. Und vor allem ist auch der Fokus nicht mehr auf irgendwelche Krisen oder auch Terroranschlägen gesetzt, sondern auf Krieg und einen möglichen Angriff. «Hier wird früh erwähnt, dass wenn Schweden angegriffen wird, wird das Land nie aufgeben.» Jede Mitteilung oder Information, dass Schweden den Widerstand aufgebe, sei eine Falschinformation. Dies steht in der Broschüre.

Das Russland-Trauma schwingt mit

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Nach dem Ende des Kalten Krieges schuf Schweden die allgemeine Wehrpflicht ab. Grosse Teile Schwedens stehen ohne militärische Verteidigung da. Hinzu kommt die Aggressivität Russlands mit dem Angriff auf die Ukraine. Dieses Russland-Trauma, welches Schweden historisch schon seit dem Mittelalter und dann im späten 18. Jahrhundert hat, spielt da auch mit. Schweden musste als Grossmacht praktisch aufgeben und wurde wegen einer Niederlage gegen Russland neutral. Das kommt jetzt zurück. «Also jetzt ist man wieder dort, wo man eben sagt, dort im Osten ist eine böse Macht und vor ihr müssen wir uns schützen» so Kaufmann.

Was will man vermitteln? «Die Broschüre ist ein klares Zeichen an die Bevölkerung, dass sich auch die Menschen in einem Land, das über 200 Jahre lang keinen Krieg erlebt hat, wieder wärmer anziehen müssen,» erklärt Skandinavienexperte Kaufmann. Dass es Krisen und Katastrophen geben könne, aber eben auch die Möglichkeit eines bewaffneten Konfliktes, sprich eines Angriffs auf Schweden. Die Broschüre zeigt einmal mehr, dass in Schweden die Politik und die Regierung sehr trendbewusst ist. «Das heisst, man neigt zu extremen Reaktionen» schlussfolgert Kaufmann.

Es ist tatsächlich eine ernste Situation, in der sich nicht nur Schweden, sondern ganz Europa und auch der Ostseeraum befindet.
Autor: Bruno Kaufmann SRF-Skandinavienkorrespondent

Wie sind die Reaktionen? Die Bevölkerung nimmt das sehr ernst. «Es ist tatsächlich eine ernste Situation, in der sich nicht nur Schweden, sondern ganz Europa, aber gerade auch der Ostseeraum befindet,» erklärt Kaufmann. Hinzu kommt, dass Schweden in den letzten Jahren mit Bedrohungen von innen – Bandenkriminalität – wie auch von aussen konfrontiert ist. «Kaliningrad, die russische Enklave, ist wenige 100 Kilometer vom schwedischen Festland entfern,» so Kaufmann. Sehr viele Schwedinnen und Schweden sind diesbezüglich sensibilisiert.

Gibt es ähnliche Broschüren in den Nachbarländern? Ja, gibt es. Diese könne man durchaus mit derjenigen aus Schweden vergleichen, bezüglich der Bereitschaft, Vorsorge zu treffen. Die Broschüren sind aber viel weniger vergleichbar, wenn es darum geht, vor einem Krieg zu warnen. Finnland änderte auch nach dem Nato-Beitritt seine Sicherheitspolitik nicht, da es als Nachbar Russlands in der Geschichte immer wieder mit der Aggressivität Russlands konfrontiert ist. In Norwegen ist die Lage noch mal ein bisschen anders, weil man dort seit 1949 der Nato angehört, sich also diesem System seit Jahrzehnten zugehörig fühlt. Zudem sind viele Teile Norwegens weiter weg von Russland. «Jedes Land hat so seine Besonderheiten und das macht man natürlich dann auch deutlich in dieser Art von Behördeninformation.»

In Finnland und Norwegen: Online vor gedruckt

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Ein wichtiger Unterschied sei, dass ähnliche Broschüren in Finnland und Norwegen nicht wie in Schweden gedruckt an die Haushalte verteilt werden, sondern seien letztlich einfach online einsehbar, erklärt Kaufmann. Das verändere die Aufmerksamkeit. «Das führt dazu, dass man sich selber orientieren muss und diese Broschüre sozusagen nicht auf dem Küchentisch liegen hat.» In Finnland wird auch viel spezifischer über einzelne Informationsblätter zu verschiedenen Bereichen informiert und das auch in verschiedenen Sprachen. In Norwegen wiederum ist diese Broschüre einfach auf der Webseite der Regierung einsehbar.

 

SRF 4 News, 18.11.2024, 16:45 Uhr ; 

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