In Schweden schlagen hochrangige Sicherheitspolitiker Alarm. Alle Schwedinnen und Schweden sollten sich auf einen möglichen Krieg vorbereiten. Hintergrund ist der Krieg in der Ukraine. Was heisst diese Aussage konkret und wie ernst ist die Lage?
Was ist passiert? Der schwedische Minister für Zivilverteidigung, Carl-Oskar Bohlin, hat in einer Rede an einer Sicherheitskonferenz die Schwedinnen und Schweden gewarnt: «Es könnte Krieg in Schweden geben.» Das Land sei ernsthaft bedroht, die Bürgerinnen und Bürger sollen sich auf Krieg vorbereiten. «Haben Sie schon darüber nachgedacht, ob Sie einer freiwilligen Verteidigungsorganisation beitreten sollen? Wenn nicht: Bewegen Sie sich!» Der Oberbefehlshaber der schwedischen Armee, Micael Bydén, stimmte den Worten des Ministers im schwedischen Fernsehen zu. Es gehe jetzt darum, den Worten Taten folgen zu lassen.
Warum läuten bei hochrangigen schwedischen Sicherheitspolitikern gerade jetzt die Alarmglocken? Gemäss Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann erlebt Schweden gerade eine historische Zeitenwende in der Sicherheitspolitik. «Das Land war über 200 Jahre lang neutral und jetzt strebt man den Nato-Beitritt an. Das stellt Schweden in einen starken Kontrast zu Russland. Ein Land, das im Krieg steht und eine Diktatur ist. Deshalb steht jetzt für Schweden viel auf dem Spiel.»
Was wollen staatliche Sicherheitspolitiker mit diesen Aussagen konkret bezwecken? «Sie wollen in der schwedischen Bevölkerung ein Gefühl wecken, dass man dafür mitverantwortlich ist, die Sicherheit, den Wohlstand, die Demokratie zu bewahren», sagt Kaufmann. Es sei natürlich auch jetzt für diese Kräfte in der politischen Führung eine Chance, eben relativ schnell zu mehr Mitteln zu kommen. Mehr Geld für die Armee, aber auch mehr Geld für die zivile Aufrüstung. «Da braucht es eine gesellschaftliche Unterstützung. Und die sucht man jetzt.»
Wie ernst ist die Lage denn aktuell? Ziemlich ernst, meint Kaufmann. «Der Krieg in der Ukraine zieht sich in die Länge. Auch die russische Rhetorik gegenüber den neuen Nato-Staaten im Norden hat sich verschärft.» Die Situation ist laut dem Korrespondenten vergleichbar mit den 1980er Jahren, als die Sowjetunion in der Ostsee sehr stark aufs Militär setzte. Dazu kämen jetzt in Schweden auch interne und externe Probleme wie Drogenkriminalität und Probleme mit Nato- oder EU-Partnern wie der Türkei. «Deshalb ist Schweden im Moment sehr verunsichert.»
Wie gut wäre Schweden auf einen Krisenfall vorbereitet? Die schwedischen Streitkräfte seien eigentlich gut aufgestellt, meint Kaufmann: «Sie haben viel zu bieten, zur See und in der Luft. Was den Zivilschutz betrifft, ist Schweden gut aufgestellt.» Aber: Es mangelt an Erfahrung. Man habe in den letzten Jahrhunderten eben nie den Kriegsfall erlebt, sagt Kaufmann. «In vielen Krisensituationen war Schweden eher überrascht. Auch deshalb möchte die politische Führung jetzt eben die Gesellschaft aufrütteln.»
Wie reagiert die schwedische Bevölkerung darauf? Gemäss Kaufmann ist man sich dieser verschärften Situation bewusst. «Aber was jetzt in den letzten Tagen von der politischen und militärischen Führung kam, war doch ein bisschen viel.» Die Warnungen schienen etwas unkoordiniert und verärgerten die Schweden, sagt der Nordeuropa-Korrespondent. «Es gab auch viel Kritik, dass man jetzt so viel auf diese Angst und Verunsicherung setzt.»