Noch am Montagmorgen hat Präsident Recep Tayyip Erdogan nachgelegt. Er stellte eine neue Forderung auf: Nur wenn der Weg für eine türkische EU-Mitgliedschaft geebnet werde, gebe er seinen Widerstand gegen die schwedische Nato-Mitgliedschaft auf. Das sorgte für Irritation. Das eine Thema haben mit dem anderen nichts zu tun, tönte es aus europäischen Hauptstädten. Erdogan verknüpfe da etwas, was nicht zusammengehöre.
Nato-Generalsekretär sichtlich erleichtert
Nur Stunden später, nach einem sehr langen Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristerrson, kam dann die völlig überraschende und abrupte Kehrtwende. Ein sichtlich erleichterter Stoltenberg konnte verkünden, Erdogan lege Schwedens Nato-Beitritt nun dem türkischen Parlament zur Ratifizierung vor. Das sollte eine Formsache sein, da er dort über eine solide Mehrheit verfügt.
Stoltenberg, der sich in der Sache persönlich und über viele Monate hinweg stark engagiert hat, spricht jetzt von einem historischen Schritt, der für alle künftig 32 Nato-Mitglieder von Vorteil sei, gerade in diesen schwierigen Zeiten.
Durchbruch symbolisch noch wichtiger als militärisch
Der von der Türkei provozierte Streit um Schwedens Mitgliedschaft hat die Atmosphäre im Bündnis fast ein Jahr lang vergiftet. Entsprechend ist der Durchbruch jetzt symbolisch und politisch als Signal wiedergefundener Einigkeit fast wichtiger als militärisch. Denn Schweden ist bereits seit Monaten praktisch in sämtlichen Allianzgremien dabei. Die militärische Zusammenarbeit könnte kaum enger sein, und das Land geniesst, zumindest implizit, bereits Sicherheitsgarantien fast wie ein Vollmitglied.
Neben der Türkei hat bisher als einziges anderes Nato-Land auch Ungarn den schwedischen Beitritt nicht ratifiziert. Da sieht der Nato-Chef aber offenkundig kein Problem. Ungarn habe klargemacht, es werde nicht das letzte Land sein, das definitiv Ja sage zum Beitritt von Schweden.
Bleibt abzuwarten, ob Ministerpräsident Victor Orban nicht dennoch Lust verspürt, seine Nato-Bündnispartner noch ein wenig länger zu ärgern und für sich etwas herauszuholen. Genauso wie Erdogan es geschafft hat, Schweden ein härteres Vorgehen gegen mutmassliche Terroristen abzutreten und eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die Türkei zu veranlassen.
Mit Erdogans Pirouette ist gleich zu Beginn des Nato-Gipfels ein ganz grosser Stolperstein aus dem Weg geräumt. Angesichts des andauernden russischen Krieges gegen die Ukraine mangelt es nicht an weiteren schwierigen Themen.