In Frankreich berät die Nationalversammlung seit einer Woche das Budget für das kommende Jahr. Dabei sammelt die Regierung eine Niederlage nach der andern ein.
Es ist klar, dass die Regierung vor der Schlussabstimmung die Notbremse ziehen und das Budget in eigener Kompetenz am Parlament vorbeibringen wird. Dies hat sie im Grundsatz bereits beschlossen. Trotzdem wartet sie noch zu.
Kraftprobe zwischen Opposition und Regierung
Das Budget wird zur ersten grossen Kraftprobe zwischen Opposition und Regierung im Parlament. Dies war schon lange klar. Denn beim Budget stimmen Oppositionsparteien grundsätzlich gegen die Regierung und schreiben vereint den Voranschlag um.
Das geschieht in der Opposition auch gegen die eigene Überzeugung: So strich das Parlament diese Woche etwa die Regel, dass das Defizit im nächsten Jahr maximal fünf Prozent der nationalen Wertschöpfung betragen dürfe. Selbst die rechten Républicains unterstützten dies. Und das, obwohl sie für gewöhnlich mehr Budgetdisziplin einfordern.
Verfassungsartikel aus den 1950er Jahren
Weil das Budget die finanzielle Basis für die Regierungsarbeit ist, ist auch klar, dass die Regierung irgendwann die Beratung im Parlament abbrechen und das Budget selbst bewilligen wird. Frankreichs Verfassung von 1958 sieht im Artikel 49, Absatz 3, ausdrücklich vor, dass die Regierung wichtige Gesetzesprojekte selbst – am Parlament vorbei – bewilligen kann.
Alle französischen Präsidenten haben diesen Verfassungsartikel mindestens einmal angewendet. Entweder, weil ihre Mehrheit im Parlament zu schwach war oder weil ein Teil der eigenen Basis rebellierte. Mit dem Artikel beendeten Präsidenten aber auch endlos scheinende Debatten.
Eine Frage der Taktik
Dass die Regierung im Moment noch zögert, das Budget in eigener Kompetenz zu bewilligen, ist auch eine Frage der Taktik: Wenn Verfassungsartikel 49-3 zum Zug kommt, löst dies immer politische Empörung aus.
Dies will die Regierung derzeit möglichst vermeiden. Denn für Sonntag hat die linke Opposition zu einem Protestmarsch aufgerufen. Und die Gewerkschaften planen am Dienstag einen landesweiten Streiktag. Ein politischer Kraftakt gegen das Parlament könnte beiden Demonstrationen zusätzlich Auftrieb geben.
Rückhalt in der Bevölkerung ist ungewiss
Höchste brisant sind auch die Streiks in den Raffinerien und Treibstoffdepots, die derzeit zu einem Treibstoffmangel führen. Die Regierung möchte die Streiks mit Zwangsmassnahmen brechen. Dabei hat sie nach Meinungsumfragen sogar eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.
Aber die öffentliche Meinung ist wankelmütig: Wenn etwa zu Ferienbeginn in einer Woche zu wenig Treibstoff verfügbar ist, um mit einem gefülltem Tank ans Meer fahren zu können, dann steigt womöglich die Unzufriedenheit. Diese könnte sich in wütende Kritik am Krisenmanagement verwandeln – und das will die Regierung im Moment vermeiden.