Eine Woche nach den erfolglosen Bemühungen der USA für einen Waffenstillstand in Sudan gehen die Kämpfe und das Leiden der Bevölkerung weiter. Über zehn Millionen Menschen sind auf der Flucht und 25 Millionen akut vom Hunger bedroht. Erste humanitäre Hilfe sei zwar jetzt möglich, doch die Hochwasser erschwerten die Lage zusätzlich, sagt der Konfliktforscher und Sudankenner Gerrit Kurtz.
SRF News: Wie geht es im Sudan weiter, nachdem in Genf kein Durchbruch möglich geworden ist?
Gerrit Kurtz: Die Amerikaner haben vermutlich die Erwartungen zu hoch gesteckt, als sie für die Gespräche in Genf einen Waffenstillstand als Ziel formuliert hatten. Als sie merkten, dass die sudanesische Armee im Gegensatz zu den paramilitärischen RSF-Milizen keine direkte Delegation schickt, konzentrierte man sich auf humanitäre Fragen. Der vereinbarte sichere Zugang für humanitäre Hilfe in Adré an der Grenze zwischen Tschad und Sudan im Westen ist ein kleiner Fortschritt. Man einigte sich zudem auch auf Hilfslieferungen von Port Sudan über den Norden und damit über die Frontlinie nach Darfur.
Über 700'000 Menschen stehen quasi vor dem Hungertod.
Wirkt sich der sichere Zugang für humanitäre Hilfe über Adré bereits aus?
Seit der Einigung konnten laut UNO 38 Lastwagen mit Hilfsgütern für rund 199'000 Menschen die Grenze passieren. Aber es ist natürlich viel zu wenig angesichts der Millionen, die auf Hilfe angewiesen sind. Über 700'000 Menschen stehen quasi vor dem Hungertod.
Wird die Menge an Hilfsgütern in den nächsten Tagen und Wochen steigen?
Das ist noch schwierig abschätzbar. Die Einigung muss halten. Bereits in den ersten Tagen ging die Grenze nach wenigen Lastwagen wieder zu. Erst seit einem Anruf von UNO-Generalsekretär António Guterres beim sudanesischen Machthaber und Armeeführer Abdelfatah Burhan rollen die Transporte wieder. Dazu kommen die saisonalen Überschwemmungen im Westen wie auch im Osten. Brücken stürzten ein, Strassen sind zum Teil unpassierbar. Hilfe nach Darfur wird in den nächsten Wochen nur erschwert möglich sein.
Nach den Gesprächen wurde die Hoffnung geäussert, dass die erste humanitäre Hilfe der Anfang sei. War das berechtigt?
Der US-Sondergesandte Tom Perriello gab heute bekannt, dass es jetzt die erste Runde von virtuellen Gesprächen mit den Delegationen geben soll. Es soll also auch ohne formelle Gesprächsrunden weitergehen. Die internationale Gruppe, die in der Schweiz zusammengekommen ist, soll weiterbestehen und weiter auf hochrangiger Ebene Druck machen. Die stellvertretende UNO-Generalsekretärin Amina Mohammed ist heute in Port Sudan und morgen in Adré, um weitere Fortschritte zu versuchen.
Für mittel- und langfristige Fortschritte braucht es deutlich mehr. Doch dafür ist der Ansatz der USA und ihrer Partner nicht wirklich geeignet.
Haben die Gespräche in der Schweiz also immerhin Kommunikationskanäle geöffnet, um die Lage mittel- und langfristig zu verbessern?
Für mittel- und langfristige Fortschritte braucht es deutlich mehr. Doch dafür ist der Ansatz der USA und ihrer Partner meines Erachtens nicht wirklich geeignet. Denn selbst bei allfälligen Gesprächen über einen Waffenstillstand soll das nur mit den bewaffneten Akteuren geschehen, nicht aber direkt auch mit den zivilen. Die Erfahrungen mit Friedensprozessen gerade auch in Sudan zeigen, dass das nicht funktioniert. Dieser Ansatz müsste dann wohl doch noch geändert werden.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.