Mit dem Grundsatz «America First» zog Donald Trump ins Weisse Haus ein. Amerika solle für sich schauen und nicht für andere – das bezog sich auch auf die Aussen- und Sicherheitspolitik. Trump versprach damit einen radikalen Bruch mit der diplomatischen Tradition in Washington. Dieser blieb insgesamt aus, erklärt Fredy Gsteiger.
SRF News: Fand unter Trump wirklich ein radikaler Bruch in der US-Aussenpolitik statt?
Fredy Gsteiger: Im Ton war der Bruch radikal – auch wenn die USA als Supermacht schon vorher nicht auf Samtpfoten aufgetreten sind. Sie haben ihre Macht immer resolut ausgespielt. So ruppig, schroff und unberechenbar hat man die USA vorher nicht gekannt.
Vieles hat schon vor Trump angefangen und er hat es fortgeführt.
In der Sache gibt es aber erstaunlich viele Parallelen zwischen der Aussenpolitik von Präsident Trump und seinem Vorgänger Obama. Beispiele sind Syrien und Afghanistan, die Terrorismus-Bekämpfung, die Konfrontation mit China. Vieles hat schon vor Trump angefangen und er hat es fortgeführt.
China und die USA stehen sich heute fast schon wie die Sowjetunion und die USA im Kalten Krieg gegenüber. Hat Trump China erst zur Grossmacht gemacht?
Wenn eine Supermacht eine andere Macht als den Feind darstellt, ist das eine symbolische Aufwertung. Sie signalisiert damit Respekt und auch eine gewisse Angst. Chinas Aufstieg hat aber lange vor Trump begonnen. Für viele ist China bereits eine Supermacht.
Das Misstrauen gegen Chinas Dominanzstreben ist unter Trump gewachsen.
Allenfalls hat es Trump der chinesischen Führung etwas schwieriger gemacht, ihren Einfluss zu vergrössern. Es gibt nun mehr Widerstand. Das Misstrauen in den USA, aber auch in Europa und in Chinas Umgebung gegen dessen Dominanzstreben ist gewachsen. Dazu hat Trump einen Beitrag geleistet.
Warum ist die Annäherung an Russland ausgeblieben? Man dachte, die USA würden sich unter Trump freundlicher gegenüber Putin zeigen.
Hauptsächlich, weil sich in diesem Punkt das amerikanische Parlament durchgesetzt hat. Für die «Establishment-Republikaner» ist Putins Russland genauso der Feind, wie es für ihre Vorgänger die Sowjetunion war. Sie haben etwa durchgesetzt, dass die US-Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim fortgeführt wurden.
In der Russland-Politik haben sich das US-Aussenministerium und das Parlament durchgesetzt – gegen Trump.
Trump hat zwar immer wieder signalisiert, dass er eine gewisse Bewunderung für den russischen Staatschef hegt. Zu einer wirklichen Annäherung kam es aber nicht. Trump und Putin haben sich nur zu einem richtigen Gipfel in Helsinki getroffen. Von einem Durchbruch konnte man überhaupt nicht sprechen. Am Ende haben sich in der Russland-Politik das US-Aussenministerium und das Parlament durchgesetzt – gegen Trump.
Trump wollte vorübergehend aus der Nato austreten und sich generell weniger militärisch engagieren. Wie ist hier die Bilanz?
Positiv zu vermerken ist: Unter Trump sind die USA nicht in einen neuen Krieg eingetreten und haben auch keinen ausgelöst. Aber auch das ist ein Stück weit Fortsetzung: Die USA ziehen sich aus ihrer Rolle als Weltpolizist zurück. Das hängt auch mit dem relativen Bedeutungsverlust der USA zusammen. Dieser Effekt wird auch nach Trump anhalten.
Wenn Trump wichtige Allianzen schwächt, schwächt er auch die USA.
Unter diesen Rahmenbedingungen wirkt es irrational, dass Trump die wichtigen Allianzen der USA geschwächt hat: diejenige mit der Nato, aber auch mit den ostasiatischen Partnern Japan, Südkorea und Taiwan. Diese Allianzen haben es den USA über Jahrzehnte erlaubt, ihre Bedeutung in der Welt zu vergrössern. Wenn Trump diese schwächt, schwächt er auch die USA.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.