Die beiden Grossmächte USA und China duellieren sich nicht nur um die wirtschaftliche Vorherrschaft, sondern liefern sich mehr denn je einen globalen Kampf um Werte. Zum Beispiel in Afrika. Die USA drohten diesen Kampf zu verlieren, warnt Tibor Nagy, der frühere US-Chefdiplomat für Afrika.
SRF News: «China tritt uns in den Hintern», so bezeichneten Sie unlängst das Duell der beiden Grossmächte in Afrika. Tibor Nagy, was meinen Sie damit?
Tibor Nagy: Die Chinesen haben in Afrika mehr Mittel zur Verfügung. Ihre Botschaften etwa sind viel, viel besser ausgestattet als die US-Botschaften. Aber auch wenn ein Land zum Beispiel einen Hafen bauen will, taucht die chinesische Seite auf und hat schon Finanzierung und Baufirma organisiert. Unsere Firmen erhalten weniger Unterstützung und müssen Regeln betreffend Korruption und Umwelt einhalten. Es ist kein fairer Wettbewerb.
Geht es im Wettbewerb zwischen den USA und China in Afrika denn primär um die Wirtschaft oder um Werte?
Es geht um beides. Die chinesische Weltanschauung ist anders als unsere. China denkt in grösseren Zeitdimensionen als die Amerikaner. Darum ist dieser globale Machtwettbewerb gefährlicher als der Kalte Krieg mit der Sowjetunion.
Indem man afrikanische Länder als «shithole countries» betitelt, wie dies Ihr damaliger Chef, Ex-Präsident Donald Trump, offenbar tat, gewinnt man diesen Wettbewerb aber nicht…
Ich hatte – diplomatisch gesagt – unglaubliche Herausforderungen, nachdem dieser Begriff die Runde gemacht hatte. Schauen Sie sich doch die Taten Amerikas an, nicht die Worte!
Die jungen Afrikaner mögen die Vereinigten Staaten und den Westen.
In Afrika sieht man aber vor allem, was die Chinesen gebaut haben, nicht die USA.
Ich sage dazu immer: «Sie haben ein schönes chinesische Stadion, aber es wäre leer, hätten die USA nicht Millionen Menschen vor HIV gerettet.» In Uganda zum Beispiel bezahlen wir 500 Millionen Dollar pro Jahr an das Gesundheitssystem. Die Chinesen bauen die Strassen und die Eisenbahn – und werden dafür bezahlt.
Das tönt nach frustrierenden Jahren als Chefdiplomat der USA für Afrika.
Nicht nur. Denn die gute Nachricht ist: Die jungen Afrikaner mögen die Vereinigten Staaten und den Westen – wegen unserer Kultur, wegen der offenen Gesellschaft. China pflegt die alten Eliten Afrikas. Doch die Jungen misstrauen den Chinesen. Ein 20-jähriger Ugander und eine 20-jährige Amerikanerin – da gibt es keinen Unterschied. Sie haben genau die gleichen Träume, die gleiche Motivation. Das müssen wir ausnutzen.
Wie denn? China hat in vier Jahren 50'000 Stipendien an junge Afrikaner vergeben.
Das stimmt. Die USA brauchen dringend ein Austauschprogramm für Studierende. Dann müssen wir unsere «Prosper Africa»-Initiative vorantreiben, die US-Investitionen in Afrika fördern soll...
… und Präsident Joe Biden sollte mehr US-Diplomaten nach Afrika schicken, wie Sie schon angetönt haben.
Die Biden-Administration muss in Afrika präsent sein. Ich habe viele Reisen nach Afrika unternommen, aber ein stellvertretender Minister ist nicht sehr beeindruckend. Der Präsident, der Vizepräsident und der Aussenminister müssen nach Afrika reisen. Das ist sehr, sehr wichtig.
Das Gespräch führte Samuel Burri.