- Der angeschlagene chinesische Immobilien-Gigant Evergrande will am Donnerstag nach eigenen Angaben pünktlich eine Zinszahlung in der Höhe von knapp 40 Millionen Dollar leisten.
- Bei dieser Summe handelt es sich um Zinsen für eine Anleihe im Inland, also in China. Offen ist, ob Evergrande auch die Zinsen von 83.5 Millionen Dollar für seine Anleihe im internationalen Markt bezahlen kann.
- Evergrande hat Schulden von umgerechnet über 300 Milliarden Dollar und ist im Zahlungsverzug – Experten warnen vor einem möglichen Erdbeben im globalen Finanzsystem.
Immobilienbesitzer, Investoren, Partnerfirmen und Banken: Sie alle warten auf Geld von Evergrande, dem zweitgrössten Immobilienunternehmen Chinas. Wenigstens ein Teil von ihnen dürfte nach der neuesten Ankündigung aufatmen: Evergrande will wenigstens seinen Verpflichtungen im Inland fristgerecht nachkommen. Dies schreibt das Unternehmen in einer Erklärung von heute.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Evergrande so schnell wie möglich die Bauarbeiten in vollem Umfang wieder aufnehmen wird.
Der Verwaltungsratschef von Evergrande hatte sich bereits gestern zuversichtlich gezeigt. In einem Brief an die Mitarbeiter schrieb Hui Ka Yuan: «Ich bin fest davon überzeugt, dass Evergrande mit Ihrem Einsatz und Ihrer harten Arbeit aus seinem dunkelsten Moment herauskommen wird und so schnell wie möglich die Bauarbeiten in vollem Umfang wieder aufnehmen wird.»
Auf Aktienmärkten zeigen sich Zeichen der Entspannung
Die guten Nachrichten sorgten für etwas Erleichterung an den nervösen Märkten. Denn: Einige Experten befürchteten aufgrund der Negativschlagzeilen von Evergrande eine «Ansteckungsgefahr» für die inländische Wirtschaft und darüber hinaus. Angst vor einer nächsten Immobilienkrise machte sich breit – Erinnerungen an die Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2008 kamen hoch. Diese löste damals eine weltweite Finanzkrise aus.
Vielen Experten gehen solche Vergleiche allerdings zu weit. So sagte beispielsweise Mirko Wormuth vom deutsch-chinesischen Fonds Awesome Capital gegenüber dem Wirtschaftsmagazin «Capital»: Evergrande habe 90 Prozent seines Geschäfts in China und sei damit «ein national begrenztes Kreditrisiko». Auch die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS verweist darauf, dass «das direkte Engagement ausländischer Anleiheinhaber bei Evergrande relativ bescheiden zu sein scheint».
Greift Regierung dem Immobilienriesen unter die Arme?
Noch immer ist offen, ob die chinesische Regierung Evergrande retten wird. Drohten grosse Pleiten in der Wirtschaft, eilte diese früher in der Regel zur Hilfe, um Verwerfungen zu verhindern. Im Falle von Evergrande ist die Lage jedoch anders: Die Führung der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt könnte an diesem Unternehmen ein Exempel statuieren. Die chinesische Regierung hatte die Regeln fürs Schuldenmachen verschärft. Evergrande traf dies hart: Die Firma, die immer grössere Projekte auf Pump finanziert hatte, musste kurzfristig Schulden tilgen. So geriet der Konzern in die Situation, in der er nun steckt.
Evergrande trat auf dem Markt besonders offensiv auf: Landkäufe wurden mit Krediten finanziert, neue Wohnungen mit geringen Margen verkauft, um den Umsatz in die Höhe zu treiben. Der Konzern baute nicht nur Häuser, sondern kaufte 2010 auch einen Fussballclub und investierte in andere Branchen – von Mineralwasser über Babymilch bis hin zu Elektroautos.