Der zweitgrösste Immobilienkonzern Chinas, Evergrande, steht vor dem Konkurs. Aktien- und Anleihekurse sind in den vergangenen Tagen eingebrochen. Evergrande ist nicht irgendeine Firma: Sie beschäftigt nach eigenen Angaben insgesamt 200'000 Menschen. Das Unternehmen ist ein Schwergewicht in Chinas Wirtschaft.
Anleger fürchten einen Zusammenbruch des Immobilienkonzerns, der unter einem Schuldenberg von rund 280 Milliarden Dollar ächzt – das entspricht etwa dem Bruttoninlandsprodukt von Finnland. Zudem gibt es die Sorge, dass eine Insolvenz Schockwellen durch das chinesische Bankensystem jagt.
Massloses Wachstum
Doch wie ist der Immobilienkonzern überhaupt in eine solche Schieflage gekommen? «Evergrande ist kein sehr transparentes Unternehmen, so wie China allgemein kein sehr transparentes Land ist», sagt ARD-Korrespondent Steffen Wurzel. Entsprechend schwierig sei es, die Vorgänge von aussen zu bewerten.
In den staatlich kontrollierten Medien herrscht derzeit beredtes Schweigen über die Vorgänge, berichtet der Korrespondent. Viele Fragen bleiben offen.
Klar ist aber: Evergrande hat sich schlichtweg übernommen. «Der Konzern ist zu masslos und vielleicht auch zu schnell gewachsen», sagt Wurzel. Evergrande-Aktien gaben rund sechs Prozent nach und fielen auf den tiefsten Stand seit 2014. Auch die Aktien anderer Immobilienkonzerne gerieten unter die Räder.
Privatkunden bangen um Geld
Die Bedeutung des riesigen Konzerns, der auf Chinesisch «Hengda» heisst, ist immens. «Jeder und jede in China kennt den Immobilienkonzern: Er baut Wohnungen, Wohnanlagen, Hochhäuser – und das überall im Land.»
Seit Jahren investiert Evergrande auch in ländlicheren, weniger entwickelten Regionen des Riesenreichs. Und gerade dort grassieren nun Ängste unter den Menschen, dass sie nun ihr Geld verlieren. Denn die chinesischen Immobilienriesen finanzieren sich grösstenteils über Anzahlungen: «Viele Menschen geben das Geld Immobilienanlegern und vertrauen darauf, dass sie in ein paar Jahren eine tolle Wohnung bekommen», erklärt Wurzel.
Statuiert Peking ein Exempel?
Bislang funktionierte das System weitgehend, auch wenn es vereinzelt Pleiten und Rettungsaktionen gab. Dass es nun aber den gigantischen Konzern Evergrande trifft, bereitet vielen Chinesinnen und Chinesen Sorge.
Und wie soll es jetzt weitergehen? Wurzel hat diese Frage mit diversen Analysten erörtert. Ein mögliches Szenario: Peking lässt Evergrande Pleite gehen, um ein Exempel zu statuieren. Gewisse Anteile könnten aber durch den Staat gerettet werden, damit es nicht zu sozialen Spannungen kommt – denn landesweit könnten mehr als eine Million Familien ihr Geld verlieren.