3. Oktober 2013: Europa wird ein erstes Mal wachgerüttelt. Ein Boot mit 545 Geflüchteten sinkt vor Lampedusa, 390 Menschen ertrinken. Die kleine italienische Mittelmeerinsel wird zum ersten Mahnmal. Im Juli 2013 besucht Papst Franziskus die Insel und hält damit der italienischen Politik die Fehler vor Augen. In einem Appell ruft er zu mehr Solidarität mit den verzweifelt Hilfesuchenden auf.
31. August 2015: «Wir schaffen das!», ein banaler Satz erlangt eine unglaubliche Bedeutung. Angela Merkel ist sich damals an der Bundespressekonferenz wohl kaum bewusst, dass dies ihr bekanntester Satz werden wird. Für den sie bis heute von den einen bewundert und von den anderen verteufelt wird.
2. September 2015: Das Bild des toten Flüchtlingsjungen Alan Kurdi geht um die Welt. Es schockt und setzt die Politik unter Druck. Der kleine Junge, der an einem Strand in der Nähe des türkischen Ferienorts Bodrum angespült wurde, liegt dort bäuchlings, leblos – es sieht so aus, als würde er nur schlafen. Das Bild wird ein Symbol der Flüchtlingskrise und für das Leid von Hunderttausenden, die wie die Kurdis versuchen, von der Türkei aus mit einem Boot auf eine der griechischen Inseln zu gelangen.
Herbst 2015: Die Flüchtlingsströme verlagern sich vom Weg über das Meer auf den Landweg, die Balkanroute. Die Krise gipfelt in insgesamt 1.3 Millionen Asylanträgen in Europa. Ungarn beginnt seine Grenzen abzuriegeln. Die versöhnlichen Töne verstummen. Auf einem eilig einberufenen Gipfel will man die Flüchtlinge mittels Quoten auf die Mitgliederländer verteilen – ein Plan, der nie funktionierte.
März 2016: Die EU ist weiterhin entschlossen, den Flüchtlingszustrom nach Europa einzudämmen. Auf einem EU-Gipfel schliesst sie mit der Türkei einen umstrittenen Pakt. Die Türkei verpflichtet sich Flüchtlinge zurückzunehmen und sie an der Weiterreise zu hindern. Im Gegenzug erhält die Türkei Geld für die Flüchtlinge im eigenen Land. Bis heute hat die EU mehr als sechs Milliarden Euro an die Türkei bezahlt.
Oktober 2016: Der «Dschungel von Calais» im Norden von Frankreich erlangt traurige Berühmtheit. Zeitweise hausen dort bis zu 8000 Menschen unter unwürdigen Bedingungen. Am 24. Oktober beginnen die Behörden mit der Räumung. Noch im September finanziert Grossbritannien den Bau einer Mauer entlang des Camps. Damit will man verhindern, dass die Migranten auf die Lastwagen auf der nahen Autobahn springen, um nach Grossbritannien zu gelangen.
Juni 2019: Seit 2015 starben 13'106 Menschen auf der Mittelmeerroute. Rettungsschiffe, die in Seenot geratene Flüchtlinge retten, werden immer wieder an ihrer Arbeit gehindert. Besondere Aufmerksamkeit erhält Carola Rackete, die ihr Schiff nicht anlegen darf. Am 26. Juni 2019 fährt sie trotz eines Verbotes mit 42 Geretteten in italienische Gewässer ein. Die Hilfsorganisation «Sea-Watch» rettet zwei Wochen zuvor insgesamt 53 Migranten vor der Küste Libyens, bekommt aber keine Anlegeerlaubnis in einem europäischen Hafen.
9. September 2020: Das Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos brennt ab. Das Lager ist seit Jahren heillos überfüllt. Zuletzt lebten dort nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums rund 12'600 Flüchtlinge und Migranten – bei einer Kapazität von gerade mal 2800 Plätzen.