Immerhin, die EU-Kommission versucht nichts schönzureden. Das aktuelle System, die Einwanderung nach Europa in geordneten Bahnen zu steuern, funktioniere nicht. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass die EU nicht fähig war, das zu ändern, schreibt sie begleitend zu den Vorschlägen für eine Neuausrichtung der Migrations- und Asylpolitik der EU.
Die EU tut gut daran, in der Migrationspolitik einiges zu verbessern. Denn die Einwanderung nach Europa wird die europäische Gesellschaft in allen Ländern Europas weiterhin und dauerhaft mit unangenehmen Fragen konfrontieren. Das ist nichts Neues.
Selten wird sachlich nach Lösungen gesucht
2019 wanderten 2.4 Millionen Menschen aus einem Drittstaat nach Europa ein – völlig legal. 2019 stellten 680'000 Menschen in der EU ein Asylgesuch. In der Regel erhalten 4 von 10 Menschen, die Asyl in einem Mitgliedsstaat der EU beantragen, eine Aufenthaltsbewilligung. 6 von 10 Gesuche werden also abgelehnt. 6 von 10 Menschen müssen oder müssten zurück in ihre Heimat reisen.
Ohne Einwanderung würde die Bevölkerung in der EU seit 2012 jedes Jahr kleiner werden. Woher also die grosse Aufregung? Das Problem ist, dass Parteien, Politikerinnen, Nichtregierungsorganisationen oder Helferinnen und Helfer auf hoher See sich lieber in der Bewältigung aktueller Krisen festbeissen, in der Regel ideologisch argumentieren und selten sachlich nach nachhaltigen Lösungen suchen.
Administrative Entlastung macht Sinn
Der Vorschlag der EU-Kommission, die Migrationsfrage breit anzugehen, ist zu begrüssen. Den Grenzschutz zu verstärken ist nicht falsch. Die Verfahren zu vereinfachen und beschleunigen auch nicht, die südeuropäischen Länder administrativ zu entlasten auch nicht und Menschen abzuweisen, die keinen Schutz in Europa nötig haben, ist nachvollziehbar.
Zugleich ist es aber etwas naiv zu glauben, dass Länder wie Polen, Ungarn oder die Slowakei sich einbinden liessen, indem sie wählen können, ob sie lieber Einwanderinnen und Einwanderer bei sich aufnehmen oder ob sie lieber anderen Mitgliedstaaten helfen, Menschen abzuschieben, deren Asylgesuch in der EU abgelehnt wurden.
In der Krise fehlen Sanktionsmöglichkeiten
Das System muss in der Krise funktionieren. Genau dann fehlen aber Sanktionsmöglichkeiten, die Staaten auferlegt werden können, wenn diese doch nicht mehr mitspielen wollen.
«Solidarität» und «Verantwortung» – entlang diesen Schlagworten verkauft die EU-Kommission ihren Migrationspakt. Bestimmt: Die aktuelle Lage ist mit der Flüchtlingswelle von 2015 oder 2016 nicht vergleichbar. Im Grundsatz sind viele Regierungen in vielen Mitgliedstaaten aber nicht bereit, anders als damals zu reagieren.
Sie fühlen sich gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern immer noch in der «Verantwortung», europäische «Solidarität» in Flüchtlingsfragen zurückzuweisen. Aus Eigeninteresse.