Eine Entschuldigung an karibische und afrikanische Staaten für die koloniale Vergangenheit könnte das Vereinigte Königreich ziemlich teuer zu stehen kommen. Das weiss niemand besser als der ehemalige Staatsanwalt Keir Starmer. Es wäre ein Schuldeingeständnis.
Eine amerikanische Studie kam im vergangenen Jahr zum Schluss, dass Grossbritannien im Falle einer Wiedergutmachung 17 Billionen Franken in die Karibik und nach Afrika überweisen müsste. Selbst wenn die Begehrlichkeiten am Ende nur ein Bruchteil dieser Summe betragen, würden sie Grossbritannien in den finanziellen Ruin treiben.
König Charles beruft Historiker-Kommission
Dass die Forderung nach einer Entschuldigung ausgerechnet jetzt auftaucht, ist kein Zufall. Viele Länder hoffen, mit ihrem Anliegen beim ehemaligen Menschenrechtsanwalt Starmer auf offenere Ohren zu stossen als bei der bisherigen Tory-Regierung. Sie zeigt aber ebenso, dass das Commonwealth nicht mehr ein freundliches Familientreffen ehemaliger Kolonien unter dem gönnerhaften Vorsitz der Briten ist, sondern ein Treffen souveräner Länder.
Bis heute gab es nie eine offizielle Entschuldigung der Regierung für das dunkle Kapitel der britischen Vergangenheit. Gleichgültigkeit davon abzuleiten, wäre jedoch falsch. Bereits vor gut zwei Jahren, am letzten Commonwealth-Gipfel in Ruanda, hat der damalige Prinz Charles «seinen tiefen, persönlichen Schmerz über das Leid der Sklaverei geäussert». Als König hat er zudem vor gut einem Jahr eine Kommission mit Historikerinnen und Historikern berufen, welche seither die Verwicklungen des Königshauses in den Sklavenhandel untersucht. Ähnliches hat auch die anglikanische Kirche initiiert.
Keine Entschuldigung in der Schlusserklärung
Trotzdem kommen die Forderungen nach einer Entschädigung für Ereignisse, die weit zurückliegen, in Grossbritannien nicht nur gut an. Die heutige Generation trage keine Verantwortung für Dinge, die vor 200 Jahren passiert seien. Sonst müsse Grossbritannien auch Wiedergutmachung bei den Dänen einfordern für die Verwüstungen, welche einst die Wikinger angerichtet hätten, argumentiert der konservative «Daily Telegraph».
Der britische Premierminister Keir Starmer hat sich im Südpazifik durchgesetzt. In der Schlusserklärung des diesjährigen Commonwealth-Gipfels ist keine Entschuldigung zu finden. Doch dies wird nicht das letzte Wort sein. Eine Entschuldigung wird früher oder später fällig werden.
Ebenso eine Form der Wiedergutmachung. Denn mit dem «Slave Compensation Act von 1837» wurden nach der Abschaffung der Sklaverei bereits einmal Kompensationszahlungen überwiesen. «Für die Unannehmlichkeiten und wirtschaftliche Ausfälle nach dem Verbot der Sklaverei.» Nicht an die Sklaven, sondern an die britischen Sklavenhalter.