Wegen eines neuen Corona-Ausbruchs verschiebt die Regierung in Neuseeland die anstehenden Parlamentswahlen um vier Wochen. In der grössten Stadt Auckland gilt derzeit eine Ausgangssperre. Neuseeland galt über 100 Tage lang als coronafrei. Die Verantwortlichen vermuten, dass das Virus aus dem Ausland wieder eingeschleppt wurde, berichtet Korrespondent Urs Wälterlin.
SRF News: Woher ist das Virus zurückgekommen?
Urs Wälterlin: Das ist noch nicht klar. Die Behörden suchen fieberhaft nach der Quelle oder den Quellen. Es gibt verschiedene Verdachtspunkte. Am Sonntag hiess es noch, ein Arbeiter in einer Kühlhalle am Hafen könnte der Ursprung sein und das Virus könnte sich über tiefgekühlte Produkte verbreitet haben. Das hat sich heute offenbar wieder zerschlagen. Generell gehen die Verantwortlichen aber davon aus, dass es sich um eine Infektion handelt, die von aussen kommt: über einen Flughafen oder über eine Quarantäne-Einrichtung.
Rasch herausfinden, woher das Virus kam, ist die eine Strategie. Die andere ist es, das Virus wieder zu bekämpfen. Auckland befindet sich deshalb wieder im Lockdown. Was heisst das ganz konkret?
In erster Linie strikte Ausgangsbeschränkungen und das zwei Wochen lang. Die Leute dürfen nur unter ganz bestimmten Bedingungen und aus besonderen Gründen – etwa wegen eines Arztbesuchs – in die Öffentlichkeit und auch dann nur zeitlich limitiert. Im übrigen Neuseeland dagegen gelten die üblichen und leichteren Bestimmungen, unter anderem strikte Distanz und Maskentragen.
Neuseeland hatte die erste Welle rasch unter Kontrolle. Wie wirkt sich der jetzige Lockdown auf die Zahlen aus?
Nach diesen ersten Tagen des Lockdowns gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Restriktionen Wirkung zeigen. Im Moment beläuft sich der Ausbruch in Auckland auf 59 Personen. Die Angesteckten kommen interessanterweise aus sehr unterschiedlichen Orten: Wie bereits gesagt, zum Beispiel aus einer Kühlanlage und eine andere Person hat sich offenbar bei einer Meerschweinchen-Show angesteckt.
In Neuseeland hilft sicher, dass Premierministerin Jacinda Ardern an den Teamgeist appelliert.
Wie gross ist der Rückhalt in der Bevölkerung gegenüber den strengen Corona-Massnahmen?
Immer noch sehr hoch. Diese Disziplin ist wirklich bemerkenswert. Die meisten Leute halten sich an die Regeln – anders als im australischen Bundesstaat Victoria, der seit Wochen unter einem heftigen Ausbruch leidet und wo auch harte Einschränkungen herrschen. Da verteilt die Polizei jeden Tag hunderte von Bussen an Leute, die zum Beispiel keine Maske tragen wollen. In Neuseeland hilft sicher, dass Premierministerin Jacinda Ardern an den Teamgeist appelliert. Sie sagt immer wieder, das Team, das die Pandemie bekämpfe, bestehe aus fünf Millionen Mitgliedern – nämlich allen Neuseeländerinnen und Neuseeländern.
Kritische Stimmen sagen, das harte Durchgreifen der Premierministerin habe nichts gebracht – sonst wäre das Virus nicht wieder aufgetaucht. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Sicher nicht. Es ist schlichtweg nicht wahr, dass die Massnahmen nichts gebracht haben. Den Erfolg hat man gesehen, in 102 Tagen gab es keine neue Ansteckung. Gerade in Australien hat es zeitweise Zeichen von Schadenfreude gegeben in den letzten Tagen. Das ist wirklich fehl am Platz. Ausserdem hatte Ardern immer davor gewarnt, dass es wieder zu einem Ausbruch kommen könne.
Das Gespräch führte Daniela Püntener.