Eigentlich sollte US-Präsident Donald Trump heute in Florida auftreten. Wie so oft in den letzten Wochen würde er vor seine Fans treten – natürlich ohne Maske – und würde behaupten, das Land habe die Pandemie grossartig im Griff. Danach würde er nach Wisconsin weiterreisen, trotz der aktuell sehr hohen Fallzahlen in jenem Bundesstaat. Daraus wird nun nichts.
Die Diagnose stellt den Wahlkampf des Präsidenten völlig auf den Kopf. Er und sein Team wollten über Ausschreitungen an Demonstrationen sprechen, über die Wirtschaft, die sich angeblich erholt, und vor allem über seine konservative Kandidatin für das Oberste Gericht. Stattdessen dürfte in den nächsten Tagen fast ausschliesslich über Trumps Gesundheit diskutiert werden.
Zögerliche Reaktion im Weissen Haus
Er und seine Medienleute werden sich kritischen Fragen stellen müssen: War es fahrlässig, dass im Weissen Haus – dem Zentrum der Macht – kaum jemand eine Maske trug? Wurden umgehend alle nötigen Massnahmen ergriffen, als die Diagnose seiner politischen Beraterin Hope Hicks bekannt wurde?
Vieles deutet darauf hin, dass nur zögerlich reagiert wurde und in den letzten Stunden und Tagen zahlreiche Personen aus dem Umfeld des Präsidenten einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt waren: Enge Berater wie Jared Kushner oder Stephen Miller, finanzkräftige Geldgeber, die im engen Kreis an Wahlspenden-Veranstaltungen teilnahmen. Sie alle müssten nun in Quarantäne.
Der konservative Propaganda-Sender Fox News zeigt zurzeit so oft wie möglich eines der wenigen Bilder, auf denen Trump sich in der Öffentlichkeit mit Maske zeigt. Doch der Schaden ist angerichtet. Noch am Dienstag hatte sich Trump in der TV-Debatte darüber lustig gemacht, dass Joe Biden bei jeder Gelegenheit eine Maske trägt. Und noch gestern hatte der Präsident die Corona-Lage im Land verharmlost. Da war er vielleicht schon infiziert.
Auswirkungen auf den Wahlkampf
Bleibt Trump weitgehend symptomfrei, kann er via Fernsehen und soziale Medien weiterhin auftreten und versuchen, die Schlagzeilen zu dominieren. Er könnte dann behaupten, sein Fall zeige, wie harmlos die Krankheit in vielen Fällen verlaufe. Deshalb ist noch offen, wie sich die Diagnose auf das Wählerverhalten auswirken wird.
Auch ein gewisser «Mitleideffekt» ist nicht ausgeschlossen. Traditionell erhält ein US-Präsident einen Sympathieschub, wenn es ihm gesundheitlich nicht gut geht. In diesem Fall allerdings trägt Trump wegen seines unvorsichtigen Umgangs mit der Pandemie eine Mitverantwortung.
Wahlkampf wird noch unberechenbarer
Nun könnte sich auch rächen, dass das Weisse Haus in den letzten Jahren mit unzähligen Lügen und Unwahrheiten jegliche Glaubwürdigkeit verspielt hat. Es ist anzunehmen, dass Trump und sein Team versuchen werden, die Lage so rosig wie möglich darzustellen. Bei Verlautbarungen zu Trumps Gesundheitszustand ist in den nächsten Tagen Vorsicht geboten.
Klar ist: Ein chaotischer Wahlkampf wird damit noch unberechenbarer. Heikle Notfallszenarien werden diskutiert. Verfassungsrechtler könnten darüber streiten, ob und wann eine Verschiebung der Wahl nötig wird, sollte Trump ernsthaft erkranken. Ein verunsichertes, gespaltenes Land, wird noch mehr durchgeschüttelt.