Ärzte und Pflegekräfte nähern sich Kranken nur in Schutzanzügen, vor den Spitälern reiht sich Sarg an Sarg, das Gesundheitssystem steht am Rande des Kollaps: die Schreckensbilder der Ebola-Epidemie in Westafrika sind uns Europäern derzeit auf schauerliche Weise präsent. Nach konservativen Schätzungen der WHO starben von 2014 bis 2016 über 11'000 Menschen an der Infektionskrankheit. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein.
Afrika in Alarmbereitschaft
Wer glaubte, Europa und Nordamerika seien vor einem solchen Schicksal gefeit, wird nun Lügen gestraft. Metropolen wie New York, Mailand und Madrid sind Hotspots der Corona-Pandemie. In Afrika dagegen gibt es vergleichsweise wenige bestätigte Corona-Erkrankungen.
Doch dies dürfte sich in nächster Zeit ändern. «Die Regierungen aller Länder auf dem Kontinent nehmen die Lage sehr ernst, auch die Sorge in der Bevölkerung ist gross», sagt die Journalistin Bettina Rühl, die seit 2011 aus Kenias Hauptstadt Nairobi berichtet. Manche Länder erliessen schon vor Bekanntwerden erster Fälle drastische Massnahmen. Frühzeitig wurden Grenzen und Schulen geschlossen.
Hände waschen, Abstand halten, zuhause bleiben – auch diese Vorsichtsmassnahmen gelten nun in vielen Ländern. «Das Problem ist aber, dass viele Menschen dies gar nicht befolgen können», sagt Rühl.
In den Elendsvierteln von Grossstädten leben die Menschen dicht gedrängt. Hygienevorschriften können kaum eingehalten werden. Viele sind gezwungen, ihr Wasser an Brunnen zu beziehen, wo sich die Menschen sammeln. Desinfektionsmittel ist ein Luxusgut.
Ausgangssperren kaum durchsetzbar
Kommt hinzu: Die Menschen müssen raus, um Geld zu verdienen. «Sonst haben sie am Abend nicht zu essen», so Rühl. Auf dem Weg zur Arbeit sitzen sie in überfüllten Kleinbussen. Für die Journalistin stellt sich die Frage, wie stabil die afrikanischen Demokratien unter dem Eindruck der Krise sind. In mehreren Ländern greift die Polizei hart durch.
In Kenia gilt seit letzter Woche eine nächtliche Ausgangssperre. «Schon in der ersten Nacht gab es Schläge für die Bevölkerung, die Presse wurde an der Arbeit gehindert. Die Szenen erinnern an diktatorische Verhältnisse.» Aus Südafrika gibt es ähnliche Berichte. «Das Militär greift massiv durch. Viele Leute können sich aber gar nicht an die Ausgangssperre halten.»
Auf dem riesigen Kontinent sind die Krankenhäuser unterschiedlich gut auf die Corona-Welle vorbereitet. Schwergewichte wie Kenia und Südafrika verfügen über einige Hundert Intensivbetten. In Ländern wie dem kriegsgeplagten Somalia sind die Strukturen extrem dünn. Genauso wie im Niger, einem der ärmsten Länder der Welt. Die Journalistin warnt: Gerade die Landbevölkerung auf dem Kontinent könne kaum auf Intensivmedizin hoffen.
Die Situation sei extrem schwierig, bilanziert Rühl. «Viele Länder haben keinen Plan B.» In Afrika hat man langjährige Erfahrung mit Infektionskrankheiten. Vielerorts grassieren Krankheiten wie Malaria, HIV und Tuberkulose. Wie das Coronavirus mit ihnen interagiert, ist unklar.
Immerhin: Im Ostkongo etwa wurden während der Ebola-Epidemie Isolierstationen aufgebaut und das medizinische Personal wurde von der WHO geschult. In Ländern, in denen jüngst Infektionskrankheiten grassierten, sei die Bevölkerung aber auch besonders geschwächt – das Coronavirus könnte hier besonders gravierende Folgen haben.