Normalerweise herrscht hier ein Verkehrschaos. Die Grosse Georgische Strasse ist ständig verstopft. Nicht so heute: Nur ab und zu fährt ein Auto vorbei. Moskau mit seinen zwölf Millionen Einwohnern ist wie ausgestorben.
Bürgermeister Sergej Sobjanin hat ein Regime erlassen, das er beschönigend «Selbstisolation» nennt. Die Moskauerinnen und Moskauer dürfen nur noch in dringenden Fällen aus dem Haus: Wer zwingend arbeiten muss, zum Einkaufen in den nächsten Supermarkt oder zum Arzt. Den Hund Gassi zu führen ist erlaubt – aber nicht mehr als 100 Meter vom Haus entfernt.
Es geht darum, dass wir nicht Zustände bekommen wie in Europa.
«Es ist schon beunruhigend, das alles. Ich gehe nur schnell was zu essen kaufen – und dann wieder nach Hause», sagt Julia, die ihr Gesicht hinter einer Maske versteckt hat, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie arbeitet in der Immobilienbranche, im Moment im Homeoffice. Aber viel zu tun gebe es nicht. «Das ganze Geschäft ist wie eingefroren. Da kommt eine harte Zeit auf uns zu.» Die harten Massnahmen der Regierung unterstützt sie trotzdem.
«Es ist sicher gut, wenn wir jetzt vorerst alle einmal zu Hause bleiben. Es geht ja darum, dass wir nicht Zustände bekommen wie in Europa.» Russland ist von der Corona-Pandemie lange relativ verschont geblieben. Inzwischen aber ist das Virus da: Etwa 2400 offiziell bestätigte Fälle gibt es, das klingt nicht nach viel für ein so grosses Land. Aber die Zuwachsraten sind sehr hoch – und zudem ist nicht nur Moskau betroffen, wo relativ viel getestet wird.
Mit der Metro würde ich jetzt nicht fahren.
Infektionen werden auch aus vielen provinziellen Landesteilen gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein, was selbst hohe Beamte eingestehen. «Deswegen finde ich es richtig, dass die Behörden die Stadt stillgelegt haben. Wir müssen etwas tun gegen diese Gefahr», sagt Natalia.
Auch sie trägt einen Mundschutz, sie kommt gerade von der Arbeit. Sie ist für eine staatsnahe Firma tätig, hat eine Sondergenehmigung und muss ins Büro.
«Aber ich kann zu Fuss zur Arbeit. Mit der Metro würde ich nicht fahren in diesen Zeiten», sagt Natalia. Sie hat Glück: Viele Russinnen und Russen müssen sich nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch um ihren Job Sorgen machen. Die russische Wirtschaft stagniert schon seit Jahren. Jetzt, durch das Coronavirus, sind viele private Firmen in ihrer Existenz bedroht.
Es ist besser, in diesen Tagen nicht in Moskau zu sein.
Im Supermarkt «Asbuka Vkusa» werden über Lautsprecher Hygieneregeln durchgegeben. Das Geschäft hat Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt.
Zudem gibts am Boden Markierungen, damit die Kunden Abstand halten können. Viel los ist aber nicht. Die Moskauerinnen und Moskauer halten sich bisher ziemlich diszipliniert an die Ausgangssperre. Dennoch soll die Kontrolle demnächst massiv verschärft werden. Laut Medienberichten will die Stadtregierung ein elektronisches Überwachungssystem einführen.
Jeder Bürger müsste demnach online um Erlaubnis fragen, bevor er die Wohnung verlässt. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Bussen. Eine junge Frau, die zu einem Supermarkt eilt, finde es jetzt schon ziemlich ungemütlich in der Hauptstadt. Sie stamme aus Sibirien, wo das Virus noch nicht so verbreitet sei, sagt Anastasia. Deswegen wolle sie so bald wie möglich nach Hause fliegen: «Es ist besser, in diesen Tagen nicht in Moskau zu sein.»