Zehn schwere Transportflugzeuge des Typs Iljuschin-96 sind am Montag auf einem italienischen Militärflughafen gelandet. An Bord: Geräte zum Desinfizieren grösserer Flächen, medizinische Tests und rund 100 Spezialisten der russischen Armee. Sie sollen dem schwer getroffenen Italien helfen, mit der Corona-Krise fertig zu werden.
Ein Zeichen von Macht
Für den Kreml ist die Aktion ein Coup erster Güte: Am Samstag hatte Wladimir Putin mit dem italienischen Premier Guiseppe Conte telefoniert, er versprach Hilfe – und zwei Tage später war diese bereits in Italien.
Das Signal ist eindeutig: Russland kann was. Russland redet nicht, es hilft. Und es ist solidarisch. Während die europäischen Länder – und auch die USA – in der Corona-Krise vornehmlich für sich selbst schauen, greift Moskau den Notleidenden unter die Arme. Bessere PR hätten sich Putins Strategen nicht ausdenken können.
Alles nur für das Image?
Allerdings: Selbstlos ist die russische Hilfe nicht. Der Kreml versucht seit Jahren, sein Image in Europa aufzubessern. Ziel: die Sanktionen wegbekommen, welche die EU wegen der Ukraine-Krise erlassen hat. Darüber hinaus möchte sich Moskau als geopolitische Alternative zu Washington in Stellung bringen. Ein Europa, das nach Osten statt nach Westen schaut – davon träumen sie im Kreml.
Der Sprecher von Präsident Putin verneinte zwar, dass die Hilfe an Italien an irgendwelche Bedingungen geknüpft sei. Angesichts der Epidemie und der daraus folgenden wirtschaftlichen Verwerfungen sei aber eine Aufhebung der Sanktionen sehr wohl «bedenkenswert», sagte er.
Die Moskauer Zeitung «Wedomosti» brachte noch einen anderen Nutzen ins Spiel, den Russland von der Hilfe an Italien hat. Die russischen Militärärzte würden in Italien lernen, wie sie das Virus am besten bekämpfen. Ein Wissen, das sie womöglich sehr bald zu Hause brauchen könnten.
Wenig Corona-Fälle in Russland
Zwar ist die Epidemie in Russland noch nicht voll ausgebrochen. Im Moment sind erst 438 Infektionen offiziell bestätigt. Aber die Fallzahlen nehmen stetig zu – und es gibt Zweifel, wie gut die russischen Tests sind. Experten vermuten, die Tests seien zu wenig sensibel und würden deswegen oft falsche negative Resultate anzeigen.
Viele Moskauerinnen und Moskauer jedenfalls misstrauen den offiziellen Zahlen. Seit einigen Tagen ist es deutlich ruhiger geworden in der Stadt. «Wir verkaufen nicht einmal halb so viele Brötchen», erzählt eine Bäckerei-Verkäuferin. Viele Leute würden sich nicht mehr aus dem Haus getrauen.
Die Stadtbehörden bereiten sich ebenfalls auf einen grösseren Corona-Ausbruch vor. Der Bürgermeister hat für Bürgerinnen und Bürger über 65 eine Quarantäne angeordnet. Sie müssen mehrere Wochen zu Hause bleiben. Zudem bereiten sich Krankenhäuser darauf vor, eine grosse Zahl Infizierter aufzunehmen.
Unterfinanziertes Gesundheitssystem
Doch was sich die reiche Hauptstadt leisten kann, übersteigt die Möglichkeiten von lokalen Regierungen in der Provinz. «Unser Gesundheitssystem ist unterfinanziert, es fehlt an Geräten und Personal», erklärte Andrey Konoval dem Onlinemedium «Meduza» das Grundproblem.
Konoval ist Leiter einer unabhängigen Mediziner-Gewerkschaft. Von Mitgliedern weiss er, dass es mancherorts nicht einmal genug Schutzkleidung für Ärzte und Pfleger gibt. «Auch ohne das Virus haben wir schon Probleme mit der medizinischen Versorgung. Das wird jetzt nur noch schlimmer werden.»