Zhang Lifan ist bekannt dafür, dass er kaum ein Blatt vor den Mund nimmt. Auch nicht, wenn es darum geht, die eigene Regierung zu kritisieren. Zhang Lifan ist Historiker und als chinesischer Intellektueller einer der wenigen kritischen Stimmen im Land.
Die Schlagzeilen, die uns seit einigen Tagen erreichen, machen den Anschein, als habe Chinas Regierung bei der Virus-Bekämpfung vieles richtig gemacht. Die chinesischen Staatsmedien berichten über Erfolgszahlen im eigenen Land, während im Westen die Fallzahlen dramatisch zunehmen. Für Zhang Lifan ist das schwer zu glauben.
«Wenn eine politische Macht oder eine Person es sich gewöhnt ist, zu lügen», erklärt der 69-Jährige ohne Umschweife, «dann sind die von ihr veröffentlichen Informationen – wie eben Zahlen – wenig glaubwürdig.»
Ohne Wirtschaft keine Macht
Die offiziellen Zahlen haben nicht zuletzt mit Chinas Wirtschaft zu tun. Denn: Einen langen Stillstand der Wirtschaft kann sich das Land kaum leisten.
Die Produktion müsse zwingend wieder anlaufen, sagt Zhang Lifan. Chinas Führung befürchte, dass sie mit einem Zusammenbruch der Wirtschaft auch die politische Macht verlieren würde. «Deswegen wird jetzt betont, dass die Epidemie zurückgeht, und dies mit den passenden Zahlen untermauert.»
Schwere Vorwürfe an Xi Jinping
Im Zentrum der Kritik steht die Lokalregierung in Wuhan und die Provinzregierung Hubei. Sie sollen den Ausbruch zu lange verheimlicht haben, da sind sich die meisten Chinesen einig. Doch: Für Zhang Lifan ist auch die Zentralregierung in Peking verantwortlich, und mit ihr Präsident Xi Jinping.
Zhang Lifan leitet das am Krisenmanagement der Führung ab. «Er hat zwischen dem 7. Januar und dem 20. Januar, also während 13 Tagen, noch Burma besucht, auch die chinesische Provinz Yunnan. Und die grosse Neujahrsgala vom chinesischen Staatsfernsehen fand danach sogar noch statt.»
Diese Daten sind wichtig. Denn: Laut chinesischen Staatsmedien soll Xi Jinping seit dem 7. Januar die Behörden in der Virus-Krise geführt haben. Er wäre also bereits damals informiert gewesen.
Keine Spur von Selbstkritik
Ein Führer, der die ganze Macht auf sich selbst konzentriere, führt Zhang Lifan aus, müsse auch die ganze Verantwortung übernehmen. «Doch vor dem ständigen Ausschuss des Politbüros betonte er, dass die getroffenen Massnahmen richtig seien. Es kam zu keinerlei Selbstkritik.»
Den Schwarzen Peter für den Westen
Solche Aussagen kann Zhang Lifan in Chinas Medien nicht machen. Auch sein Weibo-Konto – Chinas Pendant zu Twitter – wurde längst vom Netz genommen.
Diese Erklärung ergibt keinen Sinn.
Von den offiziellen Staats- und Parteimedien hält er ohnehin wenig. Er kritisiert auch ihre Rolle in Chinas aktueller Propaganda-Kampagne. Die chinesischen Medien werfen dem Westen nämlich vor, den zeitlichen Vorsprung, den er dank Chinas Bekämpfung der Krise hatte, nicht ausreichend genutzt zu haben.
«Diese Erklärung ergibt keinen Sinn. Es war Chinas Regierung, die ständig betont hatte, die Epidemie sei unter Kontrolle. Jetzt dem Westen und den USA die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist nicht richtig.»