SRF News: Wie gross ist die Gefahr durch Minen für die Flüchtlinge im Grenzgebiet zwischen Kroatien und Serbien?
Christoph Wüthrich: Ich halte die Gefahr nicht für allzu gross. Im Gebiet, in dem die Flüchtlinge nun von Serbien her kommend über die Grenze nach Kroatien gehen, hat es fast keine Minen. Die Grenze zwischen den beiden Ländern verläuft zu einem grossen Teil entlang der Donau, dort wird im Moment niemand versuchen, über die Grenze zu gehen. Für die Flüchtlinge als Grenzübergang geeignet ist einzig ein bis zu 50 Kilometer breiter, flacher Geländestreifen zwischen der Donau und der Save. In dem Gebiet lag die Front im kroatisch-serbischen Krieg aber weiter im Landesinnern. Deshalb gibt es dort nur zwei kleinere Minenfelder und die liegen mindestens 10 Kilometer südlich des Grenzübergangs Tovarnik, den die Flüchtlinge nun vor allem benützen.
Könnten Flüchtlinge, falls sie diesen Korridor verfehlen – etwa in der Nacht – nicht doch in vermintes Gebiet kommen?
Es gibt exakte Minenkarten des kroatischen Zentrums zur Entminung, die man problemlos im Internet konsultieren kann. Die Hilfsorganisationen, welche die Flüchtlinge in Serbien und teilweise auch schon in Mazedonien beraten, geben den Flüchtlingen den Link, damit sie die Karten mit ihren Smartphones ansehen können. Zudem hat das kroatische Entminungszentrum Experten geschickt, um die besagten Felder in Grenznähe vorrangig zu entminen.
Die Minen stammen aus dem Balkankonflikt in den 1990er-Jahren. Warum sind die Grenzgebiete noch immer nicht vollständig von den Minen geräumt?
Es sind riesige Gebiete, die damals vermint wurden. Zwar ist die Entminung ständig am Laufen, doch diese Arbeit gestaltet sich sehr zeit- und geldintensiv. Bislang wurden vorrangig bewohnte Gebiete sowie solche, in denen Landwirtschaft betrieben wird, von den vergrabenen Sprengkörpern befreit. Das kommt jetzt auch den Flüchtlingen zu Gute, die derzeit nach Kroatien über die Grenze gehen: Im betreffenden Gebiet wird Landwirtschaft betrieben, entsprechend wurden dort grosse Landstriche bereits entmint.
Das Gespräch führte Daniel Eisner.