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Der Europarat steckt in einer existenziellen Krise
Aus Echo der Zeit vom 08.04.2019.
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Dauerstreit mit dem Kreml Der Europarat kann nicht mit – aber auch nicht ohne Russland

Der Leuchtturm von Demokratie und Menschenrechten steckt in einer existenziellen Krise – auch wegen der Russland-Frage.

Die Situation ist vertrackt: Nachdem sich Russland 2014 völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt hat, musste der Europarat handeln. Jene Organisation, die europaweit für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte steht, wäre unglaubwürdig geworden, wenn sie keine Strafe verhängt hätte.

Letztere bestand darin, den russischen Abgeordneten im Europarat das Stimmrecht zu entziehen. Worauf Russland die Parlamentarische Versammlung in Strassburg gleich ganz boykottierte – und seine Beiträge an den Europarat nicht mehr entrichtete.

Weil Russland nun zwei Jahre nicht mehr bezahlt, droht ihm bereits im Juni der Rauswurf aus dem Europarat. Moskau könnte diese Schmach sogar abwenden, indem es in den nächsten Wochen von sich aus austritt.

Weitere Verhärtung droht

Analog zum Brexit bei der EU ist bereits vom Ruxit beim Europarat die Rede. Eigentlich möchte Russland jedoch, wie Aussenminister Sergej Lawrow neulich betonte, im Europarat bleiben. Eigentlich möchten auch die meisten Europarats-Mitgliedländer, dass Russland bleibt. Denn die Strassburger Organisation ist der einzige Ort, an dem Russland rechtsverbindlich mit dem übrigen Europa verknüpft ist.

Thorbjörn Jagland, der Generalsekretär des Europarates, sprach sich deshalb heute in der «Financial Times» ungemein klar für einen Verbleib Russlands aus. Sein Argument: Nach einem Austritt hätten 140 Millionen Russen keinen Zugang mehr zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg. Und Russland dürfte künftig noch autoritärer regiert werden und sich noch weiter von Europa entfernen.

Kompromiss mit Russland scheint fern

Tatsache ist auch: Der Europarat ist auf die russischen Beitragszahlungen angewiesen, auf jährlich rund 35 Millionen Euro oder zehn Prozent des Budgets. Ohnehin gilt er seit langem als der arme Bruder der EU in Brüssel. Seit Jahren muss er Aktivitäten streichen in einem Mass, das schmerzt. Fällt Russland als Zahler dauerhaft weg, geht's ans Lebendige. Und: Es zeichnet sich nicht ab, dass andere der 46 Mitgliedstaaten finanziell in die Bresche springen.

Damit die russischen Parlamentarier das Stimmrecht wieder bekommen, muss entweder Moskau oder der Europarat nachgeben. Russland, indem es die Krim wieder an die Ukraine abtritt – was völlig unrealistisch ist. Der Europarat, indem er über die schwere Völkerrechtsverletzung Russlands hinwegsähe. Darüber wird nun erbittert diskutiert. Nicht zuletzt deutsche Abgeordnete werben für diese Lösung.

Selbst wenn am Ende dieser Kompromiss – bei dem nur die eine Seite einlenkt - herausschaut, hätte er einen schalen Beigeschmack. Und verhagelt die geplanten Feiern zum 70. Geburtstag des Europarats. Einer Organisation, die wegen der auch in Europa wachsenden Defizite punkto Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte eigentlich immer wichtiger wird. Die sich aber immer schwerer tut, ihre Ziele zu erreichen.

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