- «Es gibt problematische Punkte im britischen Vorschlag», sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. Grossbritannien müsse nachbessern.
- Die Brexit-Fachleute im Europaparlament äusserten sich noch kritischer: Auf dieser Basis sei keine Einigung möglich.
- Ähnlich sieht es auch die irische Regierung.
Johnson sieht hingegen Brüssel am Zug. «Wir haben grosse Flexibilität gezeigt», sagte der Regierungschef im Parlament in London. Nun sei es an der EU, Zugeständnisse zu machen. Sollten die Europäer keinen «entsprechenden Willen» zeigen, bliebe Grossbritannien nichts anderes übrig, als am 31. Oktober ohne Abkommen auszuscheiden.
Der Knackpunkt: Die Backstop-Klausel
Der britische Premier will erreichen, dass die als Backstop bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aus dem EU-Austrittsabkommen gestrichen wird.
Der Backstop sollte dafür sorgen, dass an der inner-irischen Grenze keine Waren- und Zollkontrollen notwendig sind. Diese gelten als politisch heikel in der ehemaligen Bürgerkriegsregion. Johnson will als Ersatz eine komplizierte Regelung, die Zollkontrollen erforderlich machen würde, wenn auch nicht direkt an der Grenze.
Johnson schlägt auch vor, dass in Nordirland weiter EU-Standards für Agrarprodukte und andere Waren gelten. Das ist der EU wichtig, um ihren Binnenmarkt zu schützen. Allerdings will Johnson die Entscheidung, wie lange das gilt, in die Hand des nordirischen Regionalparlaments legen. Die Volksvertreter sollen alle vier Jahre entscheiden, ob es dabei bleibt.
«Nicht akzeptabel»
Der irische Aussenminister Simon Coveney fand sehr deutliche Worte: Die von Johnson vorgelegten Pläne seien «nicht akzeptabel», sagte Coveney im irischen Parlament in Dublin. Er machte aber deutlich, dass sie aus seiner Sicht Teil des Wegs zu einem Kompromiss sein könnten.
«Ernste Bedenken» erhob auch die sogenannte Brexit-Steuerungsgruppe im Europaparlament, das ein Austrittsabkommen letztlich billigen müsste. Johnsons Plan löse die Grenzfrage nicht, monierte die polnische Christdemokratin Danuta Hübner, die in der Steuerungsgruppe sitzt. «Aus Sicht der EU kann Johnsons Vorschlag in jetziger Form nicht akzeptiert werden», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Irland wird volle Unterstützung der EU zugesichert
Trotz aller Vorbehalte will die EU weiter versuchen, einen britischen EU-Austritt ohne Vertrag abzuwenden, wie die Sprecherin der EU-Kommission sagte. Man sei bereit, konstruktiv mit der britischen Seite zusammenzuarbeiten. Nun zähle aber jeder Tag. Der EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober, bei dem der Brexit im Mittelpunkt stehen könnte, müsse rechtzeitig und gründlich vorbereitet werden.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte die neuen britischen Vorschläge am Mittwoch mit Johnson besprochen. Für heute setzte Juncker ein Telefonat mit dem irischen Ministerpräsidenten Varadkar an, um Irland nochmals die volle Unterstützung der EU zuzusichern, wie die Sprecherin sagte.