Fabio Zgraggen, Gründer der Humanitäre Piloten Initiative HPI, kennt Carola Rackete. Sie hat in den letzten Jahren mehrmals und zuletzt im Frühling im Rahmen einer Zusammenarbeit von Sea Watch und HPI auf einem Flugzeug der HPI gearbeitet. Auf einem Aufklärungsflugzeug war sie taktische Koordinatorin. Zgraggen mag sich gut an Rackete erinnern und schildert sie als überlegte Fachfrau.
Ich habe sie als sehr professionell erlebt, mit einer enormen Kompetenz und viel Know-how im Meer.
«Wir brauchen auf unseren Flugzeugen Menschen mit nautischer Erfahrung, die den Seefunk bedienen können und klar kommunizieren, wenn ein Schiff in Seenot ist. Dann muss rasch entschieden werden, wie und wo man fliegt und wie die Prioritäten gesetzt werden», sagt Zgraggen. «Ich habe sie als sehr professionell erlebt, mit einer enormen Kompetenz und viel Know-how im Meer.»
Carola Rackete hat Erfahrung auf Forschungsschiffen. Sie nahm für das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung an Expeditionen teil. Auch für Greenpeace hat sie gearbeitet.
Dass sie jetzt von den einen als Heldin gefeiert wird, und von anderen beschimpft, beschäftigt Zgraggen: «Primär ist sie Kapitänin. Sie hatte ihre Aufgabe zu erledigen.»
Wer jetzt dafür oder dagegen ist, ist weniger wichtig.
Als Kapitänin sei sie verantwortlich für die Sicherheit der Personen auf dem Schiff. «Ich glaube, sie war voll auf diese Arbeit fokussiert, musste einfach funktionieren. Durch ihre Arbeit ist sie sich stressige Situationen gewohnt.» Doch für die politische Debatte, die sie ausgelöst hat, habe sie wohl kaum Zeit: «Wer jetzt dafür oder dagegen ist, ist weniger wichtig.»
Ihre Motivation sei wie bei allen Helfern eine rein humanitäre. Sie könne mit ihren nautischen Fähigkeiten helfen, Menschenleben zu retten. Denn die Situation im Mittelmeer sei unhaltbar, weil Tausende ertrinken, sagt Zgraggen.
Carola Rackete war verpflichtet, die Leute in einen sicheren Hafen zu bringen.
«Wenn ein Boot in Not ist, ist jeder verpflichtet zu helfen. Das steht klipp und klar im Seerecht. Carola Rackete war verpflichtet, die Leute in einen sicheren Hafen zu bringen.»
Allerdings hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Sea-Watch entschieden. Der EGMR hatte am vergangenen Dienstag einen Eilantrag der Seenotretter abgelehnt, in Italien anlegen zu dürfen. Zuvor hatten elf Migranten unter anderem wegen ihres Gesundheitszustandes das Schiff verlassen können.
Darauf verwies das Menschenrechtsgericht in der Begründung des ablehnenden Entscheids: An Bord gebe es derzeit keine Menschen mehr, die auf dem Schiff gefährdet seien. Deswegen gebe es derzeit keinen Grund für die Anwendung der Massnahmen. Trotzdem steuerte Rackete ihr Schiff in den Hafen von Lampedusa.