Italien sei europäisch, transatlantisch und an der Seite der Ukraine, unterstrich Premierminister Mario Draghi am Dienstag. Das ist das offizielle Label, aber unter der Oberfläche brodelt es in seiner breiten und heterogenen Regierungskoalition.
Vor allem die grösste Fraktion in der Regierung, die Cinque Stelle zerfleischt sich, Parteichef Guiseppe Conte und Aussenminister Luigi di Maio liegen auch bei der Frage italienischer Waffenlieferungen in die Ukraine über Kreuz.
Kommt die Vertrauensfrage?
Auch Matteo Salvini, Chef der zweitgrössten Fraktion und rechtsaussen Partei Lega, fährt eine andere Linie als Draghi. Unlängst wollte er in einer Friedensmission nach Moskau reisen und musste zurückkrebsen; auch seine Lega ist gespalten.
Aber ohne Cinque Stelle und Lega kann Draghi nicht regieren. Und so fragte sich Italien in den letzten Tagen, ob der Premier gezwungen sei, die Vertrauensfrage zu stellen. So weit wird es wahrscheinlich nicht kommen, alle Seiten arbeiten an einem rein formalen Kompromiss, der das Parlament mehr einbinden will, aber nur konsultativ. Dazu kommt: Niemand will ein vorzeitiges Ende der Regierung Draghi vor den regulären Parlamentswahlen im kommenden Frühling.
Denn einerseits möchten alle noch vom grossen Kuchen des Coronahilfsfonds aus Brüssel profitieren und sich nicht durch vorzeitige Neuwahlen die Politiker-Pensionen unnötig beschneiden lassen. Weil nach den regulären Parlamentswahlen im März 2023 wird das Parlament ohnehin um ein Drittel verkleinert, viele Mandatsträger werden also nicht mehr einziehen.
Ungeeignete Führungspersonen
Italien ist immer am Improvisieren, das ist der Eindruck nördlich der Alpen. Piano. Wird nicht so heiss gegessen, wie die Sommerhitze vermuten liesse. Und auch andere europäischen Länder fahren eine etwas vermurkste Ukrainepolitik. Aber dass die jetzt noch grössten Fraktionen, die Cinque Stelle und die Lega unfähig sind, politische Führung zu übernehmen, ist besorgniserregend.
Lega-Chef Matteo Salvini ist absolut ungeeignet, Italien zu führen. Die Cinque Stelle sind so zerstritten, dass sie selbst nur noch Sterne sehen. Bleibt noch der mitte-links Partito Democratio unter Enrico Letta als stabilen Faktor. Und im Hintergrund lauert Giorgia Meloni von den rechten Fratelli d'Italia, die in aktuellen Umfragen führen und die taktisch viel geschickter als ihre gockelhaften Konkurrenten agiert.