Deutschland, Italien und Frankreich wollen in der Ukraine Unterstützung und Einigkeit demonstrieren: Bundeskanzler Olaf Scholz, Ministerpräsident Mario Draghi und Präsident Emmanuel Macron reisten gemeinsam per Nachtzug nach Kiew. Nach einem Besuch des Vorortes Irpin traf das Trio den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Wichtiges Thema: beschleunigte Waffenlieferungen.
Besonders der Besuch Olaf Scholzs ist mit grossen Erwartungen verbunden: Bisher hat er auf eine persönliche Reise in die Ukraine verzichtet und aus Kiew wurde die Kritik laut, Deutschland zögere mit Waffenlieferungen. SRF Korrespondentin Luzia Tschirky erklärt, was man vom Besuch des Trios erwarten kann.
SRF: Was kann der Besuch von Draghi, Scholz und Macron überhaupt bewirken?
Luzia Tschirky: Auf ukrainischer Seite gibt es natürlich die grossen Hoffnungen, dass es nicht bei den symbolischen Bildern von heute bleibt, sondern dass in Zukunft die Länder wie Frankreich, Deutschland oder Italien bereit sind, mehr schwere Waffen in die Ukraine zu liefern.
Es einen Unterschied, wenn man die Zerstörung, welche die russische Armee in der Ukraine hinterlassen hat, mit eigenen Augen sieht.
Es macht in der Tat einen Unterschied, wenn man die Zerstörung, welche die russische Armee in der Ukraine hinterlassen hat, mit eigenen Augen sieht. So hofft man, dass nun mit dem Besuch beispielsweise des Trios in Irpin, der Vorstadt von Kiew, ein Umdenken stattfindet und den Bestrebungen der Ukraine, mehr Waffen zu erhalten, in Zukunft grösseres Gehör geschenkt wird in Westeuropa.
Scholz hatte lange gezögert, die Ukraine zu besuchen, was aus Kiew kritisiert wurde – Jetzt ist er doch da. Wie sind die Reaktionen in der Ukraine?
In der Tat hatte man gegenüber der deutschen Regierung in den vergangenen Kriegsmonaten sehr grosse Vorbehalte. Man hat sich gefragt, weswegen es aus Deutschland solche Zurückhaltung gibt bei Waffenlieferungen. Die Erklärung, dass man unter keinen Umständen von Russland als Kriegspartei wahrgenommen werden möchte, hat in der Ukraine eher für Kopfschütteln gesorgt.
Denn für die Ukraine ist klar, dass Russland eigentlich nicht nur der Ukraine, sondern allen Demokratien der Welt am 24. Februar den Krieg erklärt hat. Wenn beim heutigen Treffen tatsächlich auch Bundeskanzler Scholz hinstehen sollte und etwas Konkretes über die Position Deutschlands zur Zukunft sagen könnte, dann könnte das an der Einstellung hier etwas ändern. Doch das hängt stark davon ab, was beim heutigen Treffen tatsächlich herauskommt.
Der Besuch ist auch ein deutliches Signal Europas an den Kreml: Wie sind die Reaktionen in Moskau?
Russland hatte darauf reagiert, wie es auch schon bei anderen Besuchen von hohen Staatsvertretern und internationalen Organisation reagiert hat: Heute war wieder in sehr vielen Teilen der Ukraine Luftalarm, unter anderem auch in der Hauptstadt Kiew.
Russland fürchtet sich davor, dass die Ukraine tatsächlich dereinst EU-Mitglied werden könnte.
Russland will erneut zeigen, dass aus seiner Sicht das Recht des Stärkeren gilt und es in diesem Sinne kein internationales Recht gibt, an welches Russland sich zu halten gedenkt. Es hiess heute vom ehemaligen Präsidenten und Ministerpräsidenten Dimitri Medwedew, dass beim heutigen Treffen nichts herauskommen werde.
Dementsprechend wird auch klar: Russland fürchtet sich davor, dass die Ukraine tatsächlich dereinst EU-Mitglied werden könnte. Je mehr Unterstützung die Ukraine aus dem Westen bekommt, um so schwieriger die Position für Russland.
Das Gespräch führte Angélique Beldner.