Was ist los in Australien? In Australien breitet sich die Delta-Variante des Coronavirus wieder aus. Gewisse Gebiete, etwa die Region Sydney mit ihren fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, sind wieder im Lockdown.
Das ist bemerkenswert, da Australien bisher vergleichsweise glimpflich durch die Pandemie gekommen ist. Drastische Einschränkungen hatten die Zahlen bisher niedrig gehalten: Das Land hatte seine Grenzen im März 2020 geschlossen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen, und erlaubte Bürgerinnen und Bürgern die Rückkehr nur mit 14 Tagen Hotelquarantäne.
Wie erklärt sich diese Entwicklung? «Es gab keinen Superspreader-Anlass wie etwa ein Rugby-Spiel», erklärt Australien-Mitarbeiter Urs Wälterlin. Es gab aber mehrere kleinere Events. «Zum Beispiel hatte ein Coiffeursalon mehrere Tage lang einen Mann beschäftigt, der infiziert war. Insgesamt sind 900 Kundinnen und Kunden, die in dieser Zeit im Salon waren, betroffen.»
Die Bevölkerung nimmt den Lockdown einmal mehr erstaunlich gelassen – abgesehen von den üblichen Hamsterkäufen.
Wie reagiert die Bevölkerung? Die Bevölkerung nehme den Lockdown einmal mehr erstaunlich gelassen, sagt Wälterlin, der in der Nähe der Hauptstadt Canberra lebt. «Jetzt einmal abgesehen von den üblichen Hamsterkäufen von WC-Papier und Teigwaren.» Die Australierinnen und Australier erstaunten ihn immer wieder. Allerdings stelle er diesmal eine gewisse Frustration fest. «Man hatte geglaubt, man habe das Problem inzwischen im Griff – man hatte es ja auch wirklich im Griff. Und nun passiert das.»
Wieso sind nicht mehr Menschen geimpft? In Australien haben sich bisher erst knapp vier Prozent der Bevölkerung impfen lassen. Der Grund, so Wälterlin: «Es hapert an der Verteilung und an der Koordination mit Kliniken und Ärzten. Und dieses grosse Versprechen von Premierminister Scott Morrison letztes Jahr, dass die Australierinnen und Australier zuerst an der Reihe seien, wenn es um Impfstoff geht, erwies sich als komplette Illusion.»
Inwiefern trifft die Regierung eine Mitschuld? Die Opposition sagt, der jetzige Lockdown sei eine direkte Folge der gescheiterten Impfkampagne der Regierung. Es ist zwar klar, dass politische Gegner dies sagen. Tatsache ist aber: Australien wartet bis heute auf Dosen des Pfizer/Biontech-Impfstoffs. «Die Regierung hat fast den gesamten Fokus letztes Jahr auf das Vakzin von Astra-Zeneca gesetzt», weiss Wälterlin. «Doch dann kam Anfang Jahr das Problem, dass die Menschen Angst hatten, dass sie ein Blutgerinnsel mit diesem Impfstoff bekommen könnten, auch wenn dieses Risiko minimal ist.»
Ausserdem habe die Regierung immer wieder gesagt: «Das Impfen ist ja nicht so dringend, wir haben Zeit.» Es sei kein Wettrennen, meinte Greg Hunt, der Gesundheitsminister Australiens. Dies sagte er aber wohl auch, um von den Lieferproblemen abzulenken, die die Regierung bis heute habe, so Wälterlin.