Zerstrittene Demokraten? Die Vorwahlen waren von Flügelkämpfen zwischen Linken und moderaten Demokraten geprägt, die Partei schien gespalten. Doch: «Joe Biden ist auf gutem Weg, die beiden Flügel unter einen Hut zu bringen», glaubt die Politologin Christiane Lemke. Biden habe eine enorme Erfahrung und enge Kontakte zu allen Fraktionen. Seine bisherigen Nominierungen für Regierungsämter zeigten, dass er den Anliegen der Linken durchaus Rechnung tragen wolle, ebenso dem grünen Flügel der Partei.
Überalterte Politiker: «Das Alter lässt sich nicht wegreden – auch wenn die jüngeren Leute mehrheitlich Biden und Kamala Harris gewählt haben», stellt die Politologin fest. Deshalb: «Es steht ein Generationenwechsel an.» In den nächsten vier Jahren werde sich herauskristallisieren, ob Harris das Erbe Bidens antreten kann.
Neuausrichtung nötig: Die Demokraten werden sich laut Lemke reformieren müssen. In den letzten Jahrzehnten hätten sie sich darauf verlassen, dass Minderheitengruppen stets demokratisch gewählt hatten. Doch das sei in Zukunft keineswegs mehr so klar. Zudem müssten die Demokraten die neuen Themen Ökologie und Klima besser bewirtschaften sowie die jüngeren Generationen ernster nehmen: «Während der Trump-Jahre formierten sich viele Protest- und Initiativbewegungen. Sie werden mehr Einfluss verlangen.» Entsprechend werde sich die Demokratische Partei in den nächsten vier Jahren stark verändern.
Herausforderung auch für Republikaner
Die Partei ist keineswegs am Boden: «Die Republikanische Partei befindet sich derzeit in einem relativ guten Zustand», sagt der deutsche Politologe und USA-Experte Philipp Adorf. Er verweist auf das keineswegs schlechte Abschneiden bei den Wahlen von Anfang November: Im Senat werden die Republikaner wahrscheinlich die Mehrheit behalten, im Repräsentantenhaus konnten sie Sitze dazugewinnen. Bei den Zwischenwahlen in zwei Jahren liege damit sogar eine Mehrheit in dieser Kammer drin, so Adorf. Ausserdem konnten die Republikaner auch in einigen US-Bundesstaaten zulegen.
Viel hängt von Trump ab: Falls Trump weiterhin eine Rolle in der Politik spielen und allenfalls in vier Jahren wieder für das Präsidentenamt kandidieren wolle, könne die Parteileitung der Republikaner dagegen nicht viel machen, so Adorf. «In diesem Fall müssten andere republikanische Akteure ihre Präsidentschaftsambitionen auf 2028 verschieben.» Denn einen ehemaligen Präsidenten, der während vier Jahren von praktisch allen Parteimitgliedern gelobt wurde, 2024 herauszufordern, wäre sehr schwierig, glaubt der USA-Kenner.
Reform aufgeschoben: Macht Trump weiter Politik, wäre auch eine Erneuerung der republikanischen Partei vorerst blockiert. Der «Trumpismus» – er zeichnet sich etwa durch anti-elitären Populismus und den Kampf gegen die Einwanderung aus – könnte vorerst nicht überwunden werden, glaubt Adorf. Die für die Zukunft der Partei eigentlich nötige Öffnung gegenüber Latinos und andere Minderheiten wäre mit Trump kaum möglich. Das könnte für die Partei zum Problem werden: «Denn es wird immer schwieriger, US-Wahlen bloss mit den weissen Wählern ohne Hochschulabschluss zu gewinnen», stellt Adorf fest.