Auch wenn Präsident Donald Trump die Wahl weiter anfechten will – er lässt die Transistion zu, die Machtübergabe an Wahlsieger Joe Biden kann beginnen. Dabei verfolge der abgewählte US-Präsident einen längerfristigen Plan: Als Aussenseiter in vier Jahren erneut als Präsidentschaftskandidat für die Republikaner zu kandidieren, sagt USA-Kenner Josef Braml.
SRF News: Was bedeutet die Einwilligung zur Machtübergabe von Präsident Donald Trump?
Josef Braml: Trump bereitet sich auf eine mögliche Wiederwahl 2024 vor. Er weiss, wenn er jetzt noch länger blockiert, geht das nach hinten los. Gleichzeitig muss er an der Legende stricken, dass ihm das Präsidentenamt genommen wurde und die jetzige Wahl manipuliert war – immerhin glauben mehr als die Hälfte der republikanischen Wähler diese Legende.
Trump könnte 2024 erneut als Aussenseiter antreten – schliesslich ist jetzt wieder das sogenannte Establishment am Ruder.
Auch darf man nicht vergessen: Trotz seiner umstrittenen Amtsführung und seines rassistischen Wahlkampfs hat Trump zehn Millionen Stimmen mehr erhalten als vor vier Jahren. Diese Wählerinnen und Wähler könnten ihm 2024 zum Wahlsieg verhelfen. Dann könnte er erneut als Aussenseiter antreten – schliesslich ist jetzt wieder das sogenannte Establishment am Ruder. Deshalb wäre ich nicht überrascht, wenn die zweite Staffel der Trump-Show bereits jetzt produziert wird.
Ausserdem: Würde Trump jetzt nicht weichen, würde er auch für die wichtige Wahl von zwei Senatoren in Georgia im Januar im Weg stehen. Dann wird entschieden, ob die Republikaner die Mehrheit im Senat halten können – was bedeuten würde, dass Joe Biden mit der einen oder anderen Personalie in seiner Regierung nicht durchkommen könnte, weil der Senat die Leute ja bestätigen muss.
Jetzt beginnt die sogenannte Transition, die Übergabe der Macht. Was bedeutet das für den gewählten Präsidenten Joe Biden?
Das Biden-Lager muss jetzt vor allem daran arbeiten, die beiden Senatssitze in Georgia im Januar zu erobern. Denn nur dann kann Biden seine Personalien für Regierung und hohe Behördenvertreter durchbringen. Tatsächlich hat Biden bislang ausschliesslich Leute nominiert, die in der politischen Mitte anzusiedeln sind.
Antony Blinken soll Aussenminister werden, Janet Yellen – unter Obama Zentralbankchefin – soll Finanzministerin werden. Stellt Biden quasi das alte Obama-Team wieder zusammen?
Was die Sicherheits- und Aussenpolitik angeht, ja. Doch in der Finanz- und Wirtschaftspolitik wird er weniger Wallstreet-Leute hereinbringen. So könnte Bernie Sanders womöglich Arbeitsminister werden.
Tatsächlich fehlen bei Bidens Nominationen für Regierungsämter bisher Figuren aus dem linken, progressiven Parteiflügel der Demokraten. Warum?
Biden zeigt zunächst, wo er selber steht: in der Mitte. Doch er wird dem linken Parteiflügel der Demokraten Zugeständnisse machen müssen. So hat er mit Linda Thomas-Greenfield als UNO-Botschafterin und Alejandro Mayorkas als Minister für innere Sicherheit bereits die Afroamerikaner und Latinos gewürdigt. Entsprechend könnten im Wirtschafts- und Arbeitsbereich etwas linkere Kandidatinnen oder Kandidaten folgen.
Biden wird dem linken Parteiflügel der Demokraten Zugeständnisse machen müssen.
Wird bei der Machtübergabe jetzt alles reibungslos verlaufen?
Ganz problem- und reibungslos geht es mit Trump nicht – da wird es sicher noch das eine oder andere Rambazamba geben. Doch sicher ist jetzt: Die Machtübergabe wird normal erfolgen, zumal Biden mit vielen erfahrenen Leuten zusammenarbeitet. «They will hit the ground running» – wie man in den USA so schön sagt.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.