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Bewegung gegen Regierung 172 Menschen wegen Protest in Istanbul inhaftiert

  • In der Türkei wird weiter protestiert: So ist es zu zahlreichen Festnahmen wegen Präsidentenbeleidigung gekommen.
  • Teilweise gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen Einsatzkräften und Demonstrierenden.
  • Hintergrund der Proteste ist die Festnahme des Oppositionspolitikers und Istanbuler Stadtpräsidenten Ekrem Imamoglu vergangene Woche.

Insgesamt 172 Demonstranten seien in Istanbul am Dienstagabend verhaftet worden, schrieb die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ihnen werde unter anderem vorgeworfen, ihre Gesichter mit Masken bedeckt und sich an Gewalt beteiligt zu haben. Es soll auch Verhaftungen wegen der «Beleidigung von Präsident Erdogan und seiner Familie» gegeben haben.

Justizminister Ali Yerlikaya schrieb am Dienstagmittag auf X, seit dem 19. März seien in der Türkei bei Demonstrationen 1418 Menschen festgenommen worden, von denen 979 weiter in Gewahrsam seien. 478 sollten heute einem Richter vorgeführt werden. Unter den Verhafteten sind auch mehrere Journalisten.

Fotojournalist der AFP in Haft

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Ein türkisches Gericht hat den Fotojournalisten Yasin Akgul von der französischen Nachrichtenagentur AFP im Rahmen von Ermittlungen zu den Protesten in Haft genommen, wie die türkische Journalistengewerkschaft mitteilte.

Dem Gerichtsbeschluss zufolge war seine Teilnahme bei den Protesten illegal. Er sei der Aufforderung, dass die Menge sich zerstreue, nicht nachgekommen. Akgul und seine Anwälte erklärten in ihrer Verteidigung, er habe die Proteste als Journalist begleitet und forderten die Freilassung.

Yerlikaya sieht in den Beleidigungen des Präsidenten ein verabscheuungswürdiger Angriff, der nicht mit den nationalen und moralischen Werten übereinstimme. «Diese Art von Niveaulosigkeit wird niemals toleriert werden», schrieb er auf X.

Der Dienstag markierte den siebten Abend in Folge, an dem Zehntausende Menschen gegen İmamoglus Inhaftierung protestierten. Sie forderten die Regierung von Präsident Erdogan zum Rücktritt auf.

Der Polizei wird brutales Vorgehen gegen Demonstranten vorgeworfen. Videos und Bilder zeigen, wie Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken, Reizgas und Wasserwerfern gegen Menschen auf der Strasse vorgehen. Laut Innenministerium wurden indes auch mehrere Einsatzkräfte verletzt.

Imamoglus Partei lässt sich nicht unterkriegen

Am Dienstagabend demonstrierten laut dem oppositionsnahen Sender Halk TV Hunderte Menschen auch in der Stadt Rize, dem Heimatort Erdogans.

Viele der regierungskritischen Demonstrierenden erklärten, sie seien auf eine langfristige Konfrontation vorbereitet. Sie wiesen die Behauptung von Präsident Erdogan zurück, ihre «Show» werde im Sande verlaufen.

Derweil hat Imamoglus Partei ihn trotz seiner Haft vergangenen Sonntag zum Präsident­schafts­kandidaten ernannt. Ihm werden Vorwürfe im Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorismusermittlungen gemacht. 

Oppositionspartei ruft zu Boykotten auf

Die türkische Oppositionspartei CHP hat die Menschen in der Türkei dazu aufgerufen, mutmasslich regierungsnahe Unternehmen und Medienkonzerne zu boykottieren. Die Partei veröffentlichte eine Liste mit zahlreichen Marken und Namen.

«Wir sehen nicht, wer uns nicht sieht», hiess es in einem Beitrag auf X von CHP-Politiker Özgür Celik. Aufgelistet sind etwa eine bekannte Coffee-Shop-Kette und Lebensmittelkonzerne, aber auch Verlage und mehrere Fernsehsender.

Demonstrationsverbote verhängt

Erdogan nennt die mehrheitlich friedlichen Demonstrationen eine «Gewaltbewegung» und kündigte an, die Opposition werde für ihre Protestaufrufe zur Rechenschaft gezogen.

EU und USA kritisieren Erdogans Kurs

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Die US-Regierung äussert sich besorgt über die Entwicklungen in der Türkei. Aussenminister Marco Rubio habe nach Angaben seiner Sprecherin Tammy Bruce in einem Gespräch mit dem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan seine Sorgen über Festnahmen und Proteste geäussert.

Auch die EU reagiert kritisch. EVP-Fraktionschef Manfred Weber betonte, eine enge Partnerschaft könne nur auf der Basis gemeinsamer Werte bestehen. Den Einsatz der Justiz als politische Waffe bezeichnet er als unvereinbar mit rechtsstaatlichen Prinzipien. «Erdogans Türkei ist auf dem falschen Weg», so Weber.

Innerhalb der EU wird inzwischen sogar eine Absage geplanter Gespräche mit Ankara geprüft. Dabei ging es unter anderem um einen Dialog zu Wirtschafts-, Migrations- und Sicherheitsthemen, der für April vorgesehen war.

Die Demonstrationen sind in grossen Städten wie Izmir, Ankara und Istanbul bereits verboten. Nun sind die Verbote in Zusammenhang mit der Absetzung des Istanbuler Stadtpräsidenten erneut verlängert worden.

In Ankara umfasst das Verbot alle Arten von geschlossenen und offenen Versammlungen sowie Unterschriftenkampagnen oder das Austeilen von Flyern. Auch in Istanbul gelten solche Verbote.

SRF 4 News, 25.3.2025, 16 Uhr ; 

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